Die Nationalbank verschafft sich zusätzlichen Handlungsspielraum

Die Schweizerische Nationalbank hat ihren Leitzins anlässlich ihrer jüngsten geldpolitischen Lagebeurteilung unverändert belassen, obwohl die Europäische Zentralbank den Einlagesatz eine Woche zuvor gesenkt hat. Eine Leitzinssenkung ist aber nicht grundsätzlich vom Tisch.

Die geldpolitische Lagebeurteilung durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) war mit Spannung erwartet worden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nämlich den Einlagesatz eine Woche zuvor um 0,1 Prozentpunkte gesenkt und dadurch die Zinsdifferenz zwischen Euro und Franken verringert – diese ist auf 0,25 Prozentpunkte geschrumpft. Einige Beobachter waren davon ausgegangen, dass die SNB nachziehen werde, weil sie die Zinsdifferenz bisher stets als zentrales Element ihres Dispositivs zur Schwächung des Frankens dargestellt hat.

Die SNB emanzipiert sich von der EZB

Doch die SNB hat den Leitzins unverändert belassen. In Ihrem Communiqué zum Entscheid wird die Zinsdifferenz des Euro zum Franken nicht mehr explizit erwähnt. Daraus folgt, dass die SNB auch zukünftige Leitzinssenkungen der EZB nicht zwingend nachvollziehen wird. Sie anerkennt damit auch, dass sich die Währungssituation nicht allzu akut verschlechtert hat – insbesondere, weil der Dollar gegenüber dem Franken noch immer zur Stärke neigt. Mit einer Leitzinserhöhung ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Dies würde den Aufwertungsdruck auf den Franken zu sehr verstärken.

Die SNB erachtet den Franken aber nach wie vor als hoch bewertet. Negative Zinsen und die Interventionsbereitschaft am Devisenmarkt sind nach Ansicht der SNB weiterhin zentral, um die Attraktivität von Franken-Anlagen zu mindern und eine Aufwertung des Frankens zum Euro zu vermeiden – nicht zuletzt, weil sich die Konjunkturaussichten weltweit eingetrübt haben und die geopolitischen Risiken hoch bleiben.

Keine negativen Spar- und Hypothekarzinsen auf breiter Front

Mit ihrer abwartenden Haltung trägt die SNB den Nebenwirkungen der Negativzinsen Rechnung. Indem sie auf eine Leitzinssenkung verzichtet, reduziert sie die Gefahr, dass sich die Risiken am Immobilienmarkt verstärken und der Druck auf die Vorsorgewerke und die Banken weiter zunimmt. Bis auf weiteres dürfte weder bei den Hypotheken noch bei den Sparguthaben eine negative Verzinsung auf breiter Front ein Thema werden. Falls die SNB den Leitzins doch noch senken muss, wird sie nach Mitteln und Wegen suchen, um dies zu verhindern.

Eine Leitzinssenkung ist nicht grundsätzlich vom Tisch. Mit der Anpassung der Berechnungsgrundlage für den Negativzins und der Reduktion der Belastung für die Banken verschafft sich die SNB neuen Handlungsspielraum. Sie erhöht den Freibetrag auf den Sichtguthaben der Banken und passt ihn neu monatlich an. Die finanzielle Belastung der Banken wird dadurch reduziert. Gleichzeitig wirkt die SNB der Gefahr entgegen, dass die Banken die Negativzinsen schon bald auf allen Spareinlagen weiterreichen und die Bargeldhaltung zunimmt.

Mit der veränderten Berechnungsgrundlage trägt die SNB dem Umstand Rechnung, dass das globale Tiefzinsumfeld noch länger anhalten dürfte als bislang erwartet, was weitere Interventionen am Devisenmarkt oder allenfalls auch eine Leitzinssenkung erfordern könnte. Eine Leitzinssenkung könnte beispielsweise dann nötig werden, wenn sich das Umfeld stark verschlechtert und der Franken zu stark aufwertet.

Weitere Devisenmarktinterventionen zu erwarten

Wir bestätigen unser bisheriges Szenario. Wir erwarten, dass sich die SNB in den kommenden zwölf Monaten auf Devisenmarktinterventionen beschränken und notfalls einen Rückgang des Euro-Franken-Kurses Richtung 1.05 in Kauf nehmen wird. Falls die SNB zu stark interveniert, riskiert sie, dass die USA den Vorwurf der Währungsmanipulation erheben und Gegenmassnahmen ergreifen. Eine Leitzinssenkung wird nur zum Thema, wenn der EURCHF-Kurs in den kommenden Monaten Richtung Parität tendiert. Eine ausführlichere Begründung unseres Szenarios finden Sie auf dem Blog der Migros Bank.

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