2022 war ein turbulentes Jahr. Sacha Marienberg, Leiter Investment Office der Migros Bank, sagt, ob es 2023 besser wird.
(Das Interview erschien am 15.12.2022 im Migros-Magazin / Text: Kian Ramezani)
Für die Finanzmärkte geht ein turbulentes Jahr zu Ende. Wagen Sie eine Prognose fürs 2023?
Wir sind guter Dinge, dass das neue Jahr für Anleger*innen wieder erfreulicher wird. Die Inflation dürfte zurückgehen und so Konsument*innen und Unternehmen wieder etwas mehr Luft verschaffen. Allerdings bleiben die Risiken aufgrund der anhaltenden geopolitischen Spannungen – insbesondere des Kriegs in der Ukraine – noch eine Zeit lang hoch. An den Börsen wird es wohl in den ersten Monaten 2023 relativ holprig weitergehen, bevor eine Besserung einsetzt.
Dass die Zinsen jemals wieder ein solches Niveau erreichen, war für viele undenkbar.
Man sollte nicht vergessen, dass sich das Zinsniveau in der Schweiz im historischen Vergleich immer noch auf einem tiefen Niveau befindet. Verantwortlich für den abrupten Anstieg der Zinsen ist die «Auferstehung» der von vielen totgesagten Inflation. Die Zentralbanken haben die Teuerungsdynamik zu lange und zu stark unterschätzt. Deshalb waren sie schliesslich gezwungen, die Zinsen äusserst rasch und stark anzuheben, um die galoppierende Inflation zu bekämpfen.
Werden die Zinsen weiter steigen?
Nicht unbegrenzt. Sobald sich eine Entspannung bei der Inflation abzeichnet, werden sich die Zinsen auf den aktuellen Niveaus einpendeln. Eine Rückkehr zu den Negativzinsen halten wir aber für unwahrscheinlich.
Welche Auswirkungen hat das auf den Immobilienmarkt?
Bis anhin sind hier kaum Auswirkungen feststellbar, die Nachfrage nach Wohneigentum ist weiterhin sehr hoch. Hinzu kommt, dass das Angebot die Nachfrage kaum decken kann, was auch an der anhaltend hohen Zuwanderung liegt. Mit dem Anstieg der Zinsen dürfte es zudem nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch die Mietpreise nach oben bewegen. Wir gehen daher davon aus, dass die Immobilienpreise im kommenden Jahr nur punktuell fallen werden.
Die Inflation ist in der Schweiz deutlich tiefer als im europäischen Ausland. Wird das so bleiben?
Wir rechnen damit, dass das so bleiben wird. Die Schweiz profitiert in diesem Fall von ihren protektionistischen Strukturen beispielsweise bei den Lebensmitteln. Ein weiterer wichtiger Grund ist die deutlich geringere Gewichtung der Energiekosten, die für die Berechnung der Teuerung massgeblich sind. In der Eurozone beispielsweise wird die Energie, ein zentraler Treiber der dortigen Inflation, mit über 10 Prozent gewichtet – in der Schweiz sind es nur rund 5 Prozent. Die Erhöhung der Strompreise um rund 30 Prozent dürfte jedoch auch hierzulande die Teuerung in den ersten Monaten des neuen Jahres noch einmal etwas anheizen – der Effekt auf die Inflationsdynamik wird sich aber in Grenzen halten und von relativ kurzer Dauer sein.
Was raten Sie Ihren Kund*innen in der jetzigen Situation? Geld auf dem Konto lassen oder anlegen?
Unabhängig von der heutigen Marktlage empfehlen wir Kund*innen, die an einem langfristigen Vermögensaufbau interessiert sind, einen Teil ihres Vermögens anzulegen. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und der Druck auf unsere Vorsorgesysteme nimmt zu. Deshalb wird der private Vermögensaufbau immer wichtiger. Sparen allein reicht aber nicht, die Zinsen sind schlicht nicht hoch genug.
Also Anlegen. Aber wie?
Man sollte unbedingt darauf achten, nicht alles auf ein Pferd zu setzen. Deshalb empfehlen wir, das Anlagevermögen möglichst breit auf verschiedene Anlageklassen und Regionen zu verteilen. Man nennt dies Diversifikation. Zudem ist es vorteilhaft, wenn man sich genügend Zeit gibt. Beides, eine hohe Diversifikation wie auch ein langer Anlagehorizont, reduzieren das Verlustrisiko deutlich.
Wann wäre ein guter Zeitpunkt, mit dem Anlegen zu beginnen?
Wir denken, dass der Einstiegszeitpunkt heute kein schlechter ist. Die Börsen haben im laufenden Jahr stark korrigiert und viele Segmente sind inzwischen günstiger bewertet als noch zu Beginn des Jahres. Zudem stehen die Chancen für eine Erholung an den Börsen im kommenden Jahr wie erwähnt nicht schlecht. Wer dennoch zögert, dem empfehlen wir einen gestaffelten Einstieg.
Der Franken hat sich 2022 gegenüber Euro und weiter aufgewertet. Erwarten Sie hier eine Trendwende?
Angesichts der erhöhten Rezessionsgefahr in der Eurozone wird die europäische Gemeinschaftswährung kurzfristig gegenüber dem Schweizer Franken unter Druck bleiben. Wie sich der Euro langfristig entwickelt, hängt entscheidend von der Schuldensituation und der politischen Entwicklung der europäischen Gemeinschaft ab.
Die Schweizer Exportwirtschaft ist trotz dieser Währungsturbulenzen gut über die Runden gekommen. Hat Sie das überrascht?
Nein, das kommt nicht überraschend. Die Schweizer Exportwirtschaft ist seit Aufgabe des Mindestkurses durch die Nationalbank im Januar 2015 mit einer ausserordentlich schwierigen Situation konfrontiert – und ist enorm daran gewachsen ist. Schweizer Unternehmen haben sich mittlerweile an die preislichen Nachteile infolge der starken Währung gewöhnt und wissen diese mit hoher Qualität und einwandfreiem Service auszugleichen. Noch ist das Schlimmste aber nicht vorüber: Die globale Wirtschaft trübt sich weiter ein. Das wird auch die Schweizer Exportindustrie in den kommenden Monaten vor weitere Herausforderungen stellen. Wir sind aber zuversichtlich, dass sie mit diesem Druck gut zurechtkommen wird.
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