Wasserglässer

Kein unmittelbarer Handlungsbedarf für die SNB

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Geldpolitik weiter gelockert. Wie ist dieser Schritt einzuschätzen? Und muss die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre Leitzinsen jetzt noch mehr senken?

Die EZB reduziert den Einlagensatz für die Banken um 10 Basispunkte auf minus 0,4 Prozent. Was bedeutet dies konkret?

Die EZB hat einen Schritt in dieser Grössenordnung seit Monaten angedeutet. Er dürfte daher an den Devisenmärkten nur noch relativ geringe Bewegungen hervorrufen. Der Einlagensatz ist für die EZB vor allem deshalb wichtig, weil sie im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms nur solche Obligationen erwerben darf, deren Renditen über dieser Grenze liegen. Gemäss heutigem Entscheid wird die EZB dieses Programm nochmals um 20 Milliarden Euro auf ein Volumen von 80 Milliarden Euro pro Monat ausweiten. Somit musste sie auch den Einlagensatz anpassen, weil sonst womöglich nicht mehr genügend Obligationen vorhanden wären, welche die EZB tatsächlich kaufen könnte. Neu will die Zentralbank ausserdem als sicher geltende Schuldtitel von Unternehmen ausserhalb der Finanzbranche erwerben.

Entscheidend für die Schweiz ist aber: Die EZB setzt ihren Fokus weiterhin auf den Kauf von Anleihen.

Insbesondere senkt sie den so genannten Hauptrefinanzierungssatz als wichtigstes geldpolitisches Instrument nur in geringem Umfang von 0,05 auf neu 0,00 Prozent. Damit bleibt eine gewisse Zinsdifferenz zur Schweiz gewahrt.

Wie gross ist jetzt der Druck auf die SNB, den Leitzins weiter zu senken?

Für die SNB besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf für eine weitere Zinssenkung. Selbst wenn der Euro gegenüber dem Franken vorübergehend schwächer wird, sollte dies nicht zu Aktivismus verleiten. Die Devisenkurse verlaufen oftmals erratisch. Auch beim jüngsten Zinsschritt der japanischen Notenbank sackte der Yen zunächst ab, legte danach aber umso kräftiger zu. Erst bei einem längerfristigen Kursanstieg des Frankens müsste die SNB Gegenmassnahmen prüfen. Überdies bestehen nebst einer Zinssenkung weitere Optionen: Dazu zählen insbesondere direkte Interventionen am Devisenmarkt sowie eine gewisse Senkung des Freibetrags, ab welchem der Negativzins berechnet wird.

Obwohl der EZB-Entscheid aus schweizerischer Optik noch schlimmer hätte ausfallen können: Ist der weltweite Trend zu negativen Zinsen nicht beunruhigend?

Das ist so. Noch vor kurzem hätte man eine solche Entwicklung für unmöglich gehalten. Wie die Grafik zeigt, ist das weltweite Volumen der Staatsanleihen mit negativen Renditen mittlerweile auf über 6000 Milliarden Dollar gestiegen. Dass der Staat Schulden aufnehmen kann und damit sogar noch Geld verdient, ist inzwischen ein verbreitetes Phänomen.

Mit den tiefen Zinsen wollen die Notenbanken die Konjunktur ankurbeln und die Teuerung in Richtung der Zielgrösse von 2 Prozent steuern. Besonders in Europa und Japan bleibt der Aufschwung aber weiterhin schwach. Vor allem die Inflationsraten sind kaum gestiegen. Deshalb versuchen diese Notenbanken nun verzweifelt, die Dosis ihrer Geldspritzen immer weiter zu erhöhen.

Wenn der Staat mit Schulden Geld verdient
Wenn der Staat mit Schulden Geld verdient
Weltweites Volumen der Staatsanleihen mit negativen Renditen.

Was spricht denn angesichts dieses mageren Erfolgs überhaupt für Negativzinsen?

Zwar ist der direkte Effekt auf die Konjunktur sehr gering. In der Eurozone ist weder die Kreditvergabe an die Unternehmen noch die Investitionstätigkeit aufgrund der negativen Einlagenzinsen spürbar gestiegen. Es gibt allerdings einen Bereich, in welchem die Negativzinsen tatsächlich eine gewichtige Rolle spielen: Sie führen nämlich zu einer Schwächung der Währung. Das ist vor allem für die Schweiz von Bedeutung, weil der Franken bekanntlich stark überbewertet ist.

So haben die negativen Zinsen zu einem markanten Abfluss ausländischer Gelder geführt.

Im Gegensatz zum Franken besteht beim Euro jedoch keine Überbewertung (siehe auch «L’euro n’existe pas»). Damit aber setzt sich die EZB dem Verdacht aus, mit der aggressiven Zinspolitik eine weltweite Abwertungsspirale in Gang zu setzen. Aus diesem Grund hat die Skepsis gegenüber den Negativzinsen in jüngster Zeit stark zugenommen, insbesondere in den USA und in Grossbritannien. Bestätigt werden diese kritischen Stimmen zudem durch die jüngsten Erfahrungen in Japan.

Die japanische Notenbank hat am 29. Januar überraschend angekündigt, dass sie ebenfalls zum Instrument der Negativzinsen greift. Was ist danach passiert?

Unmittelbar nach der Ankündigung schoss der japanische Börsenindex nach oben. Denn tiefe Zinsen sind generell positiv für Aktien. Doch dann kam es am Markt plötzlich zu einem Stimmungsumschwung: Der Nikkei-Index verlor bis Mitte Februar 10 Prozent, der Bankensektor sank sogar um 24 Prozent. Weshalb? Negative Zinsen verringern die Margen der Banken. Das aber führt zu einer Drosselung der Kreditvergabe – also das genaue Gegenteil der angepeilten Ankurbelung. Die negative Reaktion der Börse hatte noch einen zweiten Grund: Immer mehr setzt sich an den Finanzmärkten die Erkenntnis durch, dass die Notenbanken ihre Mittel nicht mehr weiter strapazieren sollten. Während die Risiken dieser Geldpolitik zunehmen, wird die stimulierende Wirkung ständig kleiner. Überdies bevorzugen die Märkte die quantitative Lockerung (also das Aufkaufen von Anleihen durch die Notenbanken) gegenüber den Negativzinsen, weil dieses Instrument besser erprobt ist und somit zu weniger Unsicherheit führt.

Das wäre somit auch eine positive Entwicklung für die Schweiz?

Tatsächlich könnte die EZB das «Ende der Fahnenstange» nun langsam erreicht haben. Das ist besonders für die Schweiz von Bedeutung, weil nirgendwo sonst die Zinsen so tief im negativen Bereich liegen wie hier. Dadurch ist die Schweiz zu einem weltweiten Versuchslabor geworden, wenn es um die entscheidende Frage geht, wie tief die Zinsen sinken können, bis eine Flucht ins Bargeld einsetzt. Dass eine solche Entwicklung bisher nicht stattgefunden hat, liegt vor allem daran, dass die Zinssätze bei den Sparkonten nach wie vor im positiven Bereich liegen.

Dieses fragile Gleichgewicht könnte allerdings kippen, wenn die SNB vorschnell an der Zinsschraube dreht.

Ausserdem sollte die Nationalbank nicht schon jetzt bis ans Äusserste gehen. Damit behält sie weiterhin einen gewissen Manövrierraum, falls beispielsweise Grossbritannien die Europäische Union verlassen würde.

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5 Kommentare über “Kein unmittelbarer Handlungsbedarf für die SNB”

  1. Max Blaser

    Pendelt sich der Euro bei 1.10 ein,oder ist ein Fall nach unten zu erwarten ?

    1. Guten Tag Herr Blaser
      Derzeit ist eine markante Abschwächung des Euro nicht absehbar. EZB-Präsident Draghi hat letzte Woche selber eingeräumt, dass vorerst keine weitere Zinssenkung eingeplant ist. Würde die EZB die Geldschleusen nochmals stärker öffnen, dann würde dies insbesondere von den USA als aktive Massnahme zur Währungsabwertung taxiert. Damit bestünde jedoch das Risiko, dass ein globaler Abwertungswettlauf einsetzen könnte. Freundliche Grüsse, Albert Steck

  2. Wenn das so weiter geht, verlangen die Banken keine Gebühren mehr für ein Depot. Wo sollen sie denn hin mit dem Geld? Bunkern bei der Nationalbank kostet Geld, also verlangen sie lieber nichts mehr. Wobei, das natürlich auch wieder blöd ist, weil die Leute dann mehr Geld haben auf der Bank, wenn sie das dann ausgeben wäre die Sache ok. wenn nicht, hat die Bank wieder mehr Geldd das sie nicht will. Eine schwierige Sache…

  3. Sehr geehrter Herr Steck
    Jetzt ist meine kürzlich gestellte Frage noch aktueller geworden. Mit ihrem Kommentar haben Sie implizite eine Teilantwort gegeben.

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