SNB-Zinsentscheid vom 12. Dezember 2024: Paukenschlag und verpasste Chance zur Zurückhaltung

Wie zuletzt immer mehr erwartet, senkt die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins um gleich 50 Basispunkte. Sie erlag damit der Versuchung, mit einem grossen Zinsschritt ein Zeichen gegen die schwierige Lage an der Konjunktur- und Währungsfront zu setzen. Die Wirkung wird aber überschaubar bleiben.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkt den Leitzins um gleich 50 Basispunkte auf neu 0,50 Prozent. Das gab sie anlässlich ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung vom 12. Dezember 2024 bekannt. Weil dieser Schritt zuletzt immer mehr den Erwartungen entsprach, dürfte die Reaktion an den Finanz- und Devisenmärkten insgesamt verhalten ausfallen, auch wenn die initialen Bewegung bei den Zinsen und bei EUR/CHF ausgeprägt waren.  Dennoch war SNB-Präsident Martin Schlegel nicht zu beneiden. Gleich an der ersten geldpolitischen Lagebeurteilung unter seiner Führung musste das SNB-Direktorium einen Entscheid treffen, für den es keinen Blumenstrauss zu gewinnen gab.

Eine schwierige Ausgangslage

Denn wie auch immer die Währungshüter entschieden hätten – sowohl Applaus wie auch Buhrufe waren vorprogrammiert. Mit einer Senkung des Leitzinsens um gleich 50 Basispunkte wäre dem SNB-Direktorium der Beifall der geldpolitischen Tauben gewiss gewesen. Diesen kann Liquidität grundsätzlich kaum zu günstig sein. Und sie verweisen zudem auf die Gesamtinflationsraten, die gegen den unteren Rand des SNB-Zielbandes (0 bis 2 Prozent) tendiert, sowie auf die Preisentwicklung bei den Importen, wo die Teuerung schon verbreitet im negativen Bereich (deflationär) liegt.

Ein Nichtantasten der Zinsschraube hingegen hätte dem Gusto der geldpolitischen Falken entsprochen. Für diese muss Liquidität unbedingt ihren (angemessenen) Preis haben, und das Leitzinsniveau sollte der aktuellen und antizipierten Konjunkturlage entsprechen. Wie die Tauben verweisen die Falken zudem auf die Gesamtinflationsrate, legen den Fokus aber darauf, dass sich diese ja im angestrebten Zielband befinde. Gleichzeitig achten sie weniger auf die Importpreise, sondern umso mehr auf die Inflation bei den Inlandsgütern, die nach wie vor rund um die 2-Prozent-Marke festklebt.

Vor diesem Hintergrund stand die erste geldpolitische Lagebeurteilung unter dem neuen SNB-Chef unter einem schwierigen Stern. Eine Senkung um gleich 50 Basispunkte ist angesichts der zwar verhaltenen, aber doch einigermassen solide Konjunkturperspektiven in den Augen der Falken zu viel des Guten. Ein Nichtstun hingegen stand schlichtweg nicht zur Diskussion, nachdem Schlegels Vorgänger in einer für die SNB untypischen Vorankündigung einen weiter sinkenden Leitzins in Aussicht stellte.

Die Taube soll es richten

Dass sich die SNB nun für einen grossen Zinsschritt entschied, tut vor diesem Hintergrund ihrer Glaubwürdigkeit zwar keinen Abbruch, erscheint aber dennoch voreilig. Denn auch wenn die Währungshüter an der Pressekonferenz erneut die Datenabhängigkeit bei der Festlegung der zukünftigen Geldpolitik betonten, leistet sie mit ihrem taubenhaften Entscheid den Spekulationen um erneute Negativzinsen Vortrieb. Die Nationalbank läuft damit ein weiteres Mal Gefahr, von den von ihr selbst geschürten Leitzinserwartungen gejagt zu werden. Sie verpasste die Gelegenheit, zu ihrem altbewährten Spiel mit verdeckten Karten zurückzukehren. Ein solches mag für Marktakteure zwar zuweilen mühsam sein, war in der Vergangenheit aber auch Garantin für das hohe Ansehen der SNB: Einzig ihr Mandat zur Wahrung der Geldwertstabilität war entscheidungsbestimmend und nicht die Erfüllung selbst geweckter Markterwartungen.

Obwohl wir die Senkung um 50 Basispunkte als unangemessen erachten, begrüssen wir, dass sich Schlegel und seine Kollegen sichtlich um ein Offenhalten aller Handlungsoptionen bemühten, ohne Spekulationen oder Erwartungen in eine bestimmte Richtungen Vortrieb zu sehr befeuern zu wollen. Insofern gehen wir nach wie vor davon aus, dass auch die Hinweise auf mögliche erneute Negativzinsen nicht als Prophezeiung zu verstehen sind. Sie sind vielmehr ein Signal dafür, dass die SNB nötigenfalls auch vor unkonventionellen Massnahmen nicht zurückschreckt.

Negativzinsen: Kaum Nutzen, viel Schaden

Unserer Meinung nach bleibt ein neuerliches Negativzinsregime ultima ratio der SNB und entspricht damit nicht unserem Basis-Szenario. Wir bleiben dabei, dass der konjunkturelle Gegenwind und die Frankenstärke auf strukturelle Faktoren zurückzuführen sind, die weitgehend ausserhalb des geldpolitischen Einflussbereichs liegen. Hingegen sind die unerwünschten Nebenwirkungen eines negativen Leitzinses unvermeidlich. Anlagenotstand, Bestrafung der Kleinsparer, Druck auf die Vorsorge oder ein weiteres Aufheizen des Immobilienmarktes – vieles davon wirkt auch mehr als zwei Jahre nach Ende des letzten Negativzinsregimes unangenehm nach.

Da wir auch für 2025 von einem zwar schwachen, angesichts des europäischen Umfeldes aber soliden Schweizer Wirtschaftswachstum ausgehen und gleichzeitig die Inflation innerhalb des SNB-Zielbandes verorten, erwarten wir weiterhin nur noch einen geringen Zinssenkungsbedarf. Das heisst, dass der Schweizer Leitzins im nächsten Jahr noch um 25 Basispunkte gesenkt werden dürfte. In unserem Basis-Szenario gehen wir davon aus, dass mit dem heutigen grossen Lockerungsschritt der Zinssenkungszyklus nach einer letzten kleinen Senkung abgeschlossen sein wird und der Leitzins für längere Zeit bei 0,25 Prozent verharrt.

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