Die geplante Änderung der Kriegsmaterialverordnung hat die Diskussion um Waffenexporte neu entfacht. Die Finanzierung von Waffenproduzenten ist hingegen viel seltener ein Medienthema, obwohl ein Grossteil der Gelder der Schweizer Bevölkerung indirekt in solche Unternehmen investiert ist.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung der Kriegsmaterialverordnung, die Waffenexporte in Bürgerkriegsländer unter gewissen Umständen ermöglicht, hat eine Kontroverse in der Schweiz ausgelöst. Dadurch fast unbemerkt wurde im Juni dieses Jahres die Kriegsgeschäfte-Initiative mit den notwendigen 100 000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Initiative geht deutlich weiter. Sie möchte jegliche Art von Finanzierung der Rüstungsindustrie durch die Schweizerische Nationalbank, Stiftungen, die staatliche Vorsorge wie die AHV und die Pensionskassen verbieten. Zudem soll sich der Bund auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass für alle Banken und Versicherungen weltweit dieselben Regeln gelten. Im September lehnte der Bundesrat die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Nach Ansicht des Bundesrats schränkt die Initiative die Handlungsfähigkeit der betroffenen Institutionen zu stark ein.
Waffen sind nicht gleich Waffen
Waffen sind ein notwendiges Übel. Eingesetzt für die Landesverteidigung oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die Polizei dienen sie der Sicherheit aller Bürger. Doch Waffen können auch viel Leid verursachen. In der Fachsprache hat sich der Begriff kontroverser Waffen durchgesetzt. Kontrovers ist eine Waffe, wenn eines der folgenden drei Kriterien erfüllt wird:
- Unterschiedslosigkeit: Es findet keine Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen statt
- Verhältnismässigkeit: Gemessen am erwarteten militärischen Vorteil verursacht sie übermässige Schmerzen und erhebliches Leid
- Rechtswidrigkeit: Herstellung und Einsatz der Waffe sind durch internationale Rechtsinstrumente verboten
Die Schweiz kennt das Kriegsmaterialgesetz (KMG), in dem die unterzeichneten internationalen Abkommen umgesetzt werden. Das KMG geht bei der indirekten Finanzierung weniger weit als der Begriff der kontroversen Waffen (siehe Grafik): Es verbietet nur geächtete Waffen wie biologische Waffen oder Streumunition. Dies beinhaltet nebst dem Gebrauch auch deren Entwicklung, Herstellung und Handel. Nicht universal betroffen vom Gesetz sind Nuklear- und Brandwaffen sowie Uranmunition, bei denen die Finanzierung auf wenige Ausnahmen beschränkt ist.
Finanzierung ist nicht gleich Finanzierung
Das KMG kennt seit der letzten Revision 2013 bereits ein Verbot der direkten Finanzierung von Kriegsmaterial. Auch die indirekte Finanzierung ist untersagt, wenn damit die direkte Finanzierung umgangen werden soll. Zur indirekten Finanzierung gehört unter anderem der Kauf von Aktien oder Obligationen von Unternehmen. Dies hört sich zwar sehr strikt an, aber die juristische Auslegung ist oft weit weniger streng als gedacht. Da die grossen Rüstungskonzerne nicht nur geächtete Waffen herstellen und der Kauf von Obligationen oder Aktien nicht eindeutig dem verbotenen Kriegsmaterial zugeordnet werden kann, greift das Gesetz in solchen Fällen nicht. Den Initianten geht das KMG deshalb zu wenig weit. Das Volksbegehren erweitert die Definition von Kriegsmaterial und macht keine Einschränkung bei der indirekten Finanzierung. Wird die Initiative angenommen, würden alle grossen Rüstungsfirmen von Schweizer Institutionen kein Geld mehr erhalten.
Anleger ist nicht gleich Anleger
Investitionen von Privatpersonen oder Unternehmen werden weder vom geltenden Gesetz noch von der Initiative tangiert. Sie können weiter frei entscheiden, in welche Firmen sie investieren möchten. Trotzdem ist so gut wie Jedermann von der Initiative betroffen. Zwar kann der Bürger nicht direkt in die Anlagepolitik seiner Pensionskasse, der AHV oder der SNB eingreifen. Trotzdem gehören Anteile an deren Investitionen und Erträgen letzten Endes ihm. Der Privatanleger kann nur mit seinem eigenen Vermögen auf Anlagen in der Rüstungsindustrie verzichten. Dass er über seine Pensionskasse oder die AHV dennoch in Rüstungskonzernen investiert ist, kann nicht ausgeschlossen werden.
Fonds ist nicht gleich Fonds
Der Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR), gegründet von einigen der grössten Pensionskassen der Schweiz, publiziert eine laufend aktualisierte Liste mit Unternehmen, die mit geächteten Waffen ihr Geld verdienen. Die bekanntesten Firmen sind die Schwergewichte der US-Rüstungsindustrie. Dazu gehören unter anderem Lockheed Martin, der Hersteller des Tarnkappenflugzeugs F-35 Lightning II, und Northrop Grumman (bekannt für das Kampfdrohnenarsenal). Die Aktien dieser Branchenriesen landen aufgrund ihrer grossen Marktkapitalisierung automatisch in Depots von passiven Anlegern. Wer heute sicher sein will, dass diese Unternehmen nicht in seinem Portfolio auftauchen, hat Alternativen. Der MSCI World ex Controversial Weapons ist ein um die Waffenhersteller bereinigter Index, auf den die französische Bank BNP Paribas auch ETFs anbietet. Für den aktiven Investor bieten sich die nachhaltigen Fonds der Migros Bank an. Bei diesen sind die Kriterien sogar noch strenger. Neben Hersteller und Zulieferern von kontroversen Waffen werden auch Produzenten von zivilen Feuerwaffen ausgeschlossen. Zusätzlich ist die Investition in Firmen, die über 5% ihres Umsatzes mit dem Verkauf von zivilen Waffen erzielen, ebenfalls untersagt.
Weiterführende Informationen
- Richtlinien kontroverse Waffen des Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR): https://www.svvk-asir.ch/fileadmin/user_upload/201707_richtlinienkontroversewaffen_de_final.pdf
- Fokus Ausschluss kontroverser Waffen von Swiss Sustainable Finance (SSF): http://www.sustainablefinance.ch/upload/cms/user/2017_11_15_SSF_Fokus_Ausschluss_kontroverser_Waffen_final_D.pdf
- Eidgenössische Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten»: https://kriegsgeschaefte.ch/download/