Workers working on conveyor belt in packaging plant. Working for Online-Shopping: Cropped shot of worker hands takes parcel from moving belt conveyor at distribution warehouse.

Ist Online-Shopping nachhaltig?

Heimlieferung per Lastwagen, viel Verpackungsmaterial, je nach Warengruppe Unmengen an Retouren. Angesichts dessen fragen sich viele: Kann Online-Shopping nachhaltig sein? Berechnungen zeigen: Die CO2-Bilanz von Interneteinkäufen ist oft besser, als wenn man selber zum Einkaufen fährt.

Die Hälfte der Schweizer Konsument*innen tut es einmal pro Monat, 22 Prozent einmal pro Woche und 3 Prozent sogar täglich – die Rede ist vom Online-Shopping. Das geht aus einer Befragung von rund 10’000 Personen im Rahmen des «E-Commerce-Stimmungsbarometers 2023» hervor.

Als wichtigste Gründe für die Beliebtheit von Interneteinkäufen nennen die Befragten die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten sowie die Heimlieferung. Letztere sorgt regelmässig für ein schlechtes Öko-Image von Online-Shopping. Doch Einkaufen per Internet ist in der Regel nachhaltiger, als viele glauben.

Wie nachhaltig ist Online-Shopping? – Darauf kommt es an

Das deutsche Umweltbundesamt hat die Zusammensetzung der Klimabilanz von Online-Shopping und dem Einkaufen in physischen Geschäften verglichen.
Beim Online-Shopping setzt sich die Klimabilanz folgendermassen zusammen:
–      Strom des Endgeräts (Handy, Computer): 5 – 60 Gramm CO2
–      Lagerhallen: 20 – 120 g CO2
–      Lieferweg Paketzentrum – Kund*in: 200 – 400 g CO2
–      Verpackung: 20 – 1000 g CO2

Im Onlinehandel haben je nachdem der Lieferweg oder die Verpackung mit Abstand den grössten Anteil am CO2-Fussabdruck. Beim Einkaufen im Ladengeschäft dagegen ist der Energieverbrauch des Verkaufsstandorts und die Anfahrt der Kundin bzw. des Kunden entscheidend:
–      Energieverbrauch Geschäft & Lagerhalle: 300 – 4400 g CO2
–      Anfahrt Kund*in: 0 – 1000 g CO2
–      Verpackung: 30 – 130 g CO2

Landesspezifische Besonderheiten berücksichtigen

Nachhaltigkeitsvergleiche von Online- und stationärem Handel gibt es bereits für diverse ausländische Märkte (siehe obige Textbox). Doch aufgrund nationaler Unterschiede bei geografischen Distanzen, bei Einkaufs- und Mobilitätsverhalten usw. lassen sich ausländische Studien nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen. Die konkreten helvetischen Verhältnisse untersuchte der Lehrstuhl für Logistikmanagement an der Universität St. Gallen1. Die Studie hat für verschiedene Warenkörbe die CO2-Emissionen beim Kauf im Internet und in einer physischen Filiale verglichen.

Nun ist es in der Praxis so, dass man pro Einkaufsfahrt in der Regel nicht nur ein einzelnes Produkt kauft, sondern mehrere; ebenso wird pro Online-Lieferung meist mehr als ein Objekt bestellt. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass im Alltag viele Einkaufsfahrten auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unternommen werden, insbesondere wenn man in einem urbanen Umfeld wohnt.

Interneteinkäufe verursachen oft weniger CO2

All dem trägt die Universität St. Gallen in ihrer Untersuchung mit Schweiz-spezifischen Daten Rechnung. So berücksichtigt sie z.B. bei gezielten Einkaufsfahrten den typischen helvetischen Verkehrsmix (Anteil des motorisierten Individualverkehrs von 56 Prozent in der Kernstadt bzw. von 85 Prozent auf dem Land), und sie verwendet bei der Paketzustellung die Schweizer Praxisdaten zu durchschnittlich gefahrenen Kilometern, pro Tour ausgelieferten Paketen, erfolglosen Zustellungsversuchen, Retouren usw. Das Fazit der St. Galler Autoren: «Auf der letzten Meile», also vom lokalen Lager bis zur Lieferadresse, verursacht Online-Shopping oft weniger CO2-Ausstoss, als wenn die Kund*innen Waren selber in der Filiale des stationären Handels einkaufen gehen. Aus der Fülle von Beispielen seien nur zwei erwähnt:

  • Konsument*innen auf dem Land: Die Auslieferung einer typischen Online-Bestellung von Gütern des täglichen Bedarfs ist mit 204 Gramm CO2 verbunden. Geht er diesen Warenkorb selber einkaufen, verursacht er bei gezielten Einkaufsfahrten 767 Gramm; unternimmt er z.B. 60 Prozent kombinierte Fahrten, verringert er den Ausstoss auf 307 Gramm.
  • Konsument*innen in der Stadt: Hier sind die CO2-Werte durchs Band tiefer aufgrund der geringeren Distanzen, und zwar sowohl zum lokalen Lager des Online-Shops als auch zur stationären Filiale. So verursacht die Auslieferung des online bestellten obigen Warenkorbs in der Kernstadt nur rund 150 Gramm CO2. Bei gezielten Einkaufsfahrten sind es 256 Gramm, bei kombinierten Fahrten gar bloss 103 Gramm.

… ausser bei sehr kurzem Einkaufsweg und bei Express-Zustellungen

Das zweite Beispiel zeigt, dass der stationäre Handel dann besser abschneidet als der Online-Handel, wenn der Einkaufsweg sehr kurz ist – maximal zwei bis fünf Kilometer, wie das in Kernstädten typisch ist. Ebenfalls zugunsten des stationären Handels wirkt, wenn der Einkaufsweg konsequent mit CO2-armen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird.

Und nicht zuletzt fällt der Vergleich auch dann zugunsten des stationären Handels aus, wenn es um die rasche Verfügbarkeit der Ware geht. Diese kann in der Filiale nach dem Kauf direkt mitgenommen werden, im Online-Shop muss dagegen eine Express-Zustellung gewählt werden. Letztere macht tendenziell mehr Fahrten notwendig, was zulasten der Nachhaltigkeit geht.

1Stephanie Schreiner, Thorsten Klaas-Wissing, Wolfgang Stölzle: Die «Letzte Meile» im Schweizer Detailhandel. Cuvillier Verlag, Göttingen, 2017.

(Aktualisiert am 06.10.2023)

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