Anlageüberblick September 2022

Der Konjunkturherbst hält Einzug

Zu Beginn des vierten Quartals zeigt sich die Weltwirtschaftslage erheblich verdüstert. Die Zentralbanken gehen bei der Inflationsbekämpfung immer kompromissloser vor und nehmen auf breiter Front einen Konjunkturabschwung in Kauf. Das sorgt für zunehmende Rezessionsängste, die in Europa durch die Energiekrise verstärkt werden.

In Kürze

Unsere Einschätzung

Der Gegenwind nimmt zu

Unsere Positionierung

Erhöhte Vorsicht ist angezeigt

Unsere Prognosen

Die Unsicherheiten bleiben hoch

Unsere Einschätzung

Der Gegenwind nimmt zu

Mit den wieder kürzer werdenden Tagen hat sich auch das Konjunkturbild nochmals deutlich eingetrübt. Und wie auch die Jahreszeit dunkler wird, setzt sich die Verdüsterung der weltwirtschaftlichen Perspektiven vorerst weiter fort.

USA: Zu gut, um wahr zu sein?

Dies beginnt in den USA, wo sich die aktuelle Wirtschaftssituation eigentlich in einer grundsätzlich robusten Verfassung befindet. Angesichts der weiterhin galoppierenden Inflation ist dieser Zustand aber deutlich «zu gut». Denn aufgrund des ausgetrockneten Arbeitsmarktes bleibt der Lohnwachstumsdruck hoch, und die dadurch verursachten Zweitrundeneffekte befeuern vor allem die um Energie- und Nahrungsmittel bereinigte Kernteuerungsrate: Während bei der Gesamtrate dank der sinkenden Treibstoffpreise die Inflationsdynamik auf hohem Niveau nachzulassen beginnt, zeigt der unterliegende Inflationstrend weitgehend ungebrochen nach oben.

Die Fed wird daher vorerst nicht von ihrem forschen Zinsstraffungstempo abrücken und weitere drastische Erhöhungsschritte vornehmen. Allerdings befindet sich der US-Leitzins spätestens seit der Straffung vom 21. September im restriktiven Bereich. Das bedeutet, dass der Leitzins das Wirtschaftswachstum nicht mehr ankurbelt (expansives Zinsniveau), sondern zu hemmen beginnt. Umso stärker die Fed weiter an der Zinsschraube drehen wird, desto mehr dämpft sie zwar die preistreibenden Zweitrundeneffekte, streut aber den Unternehmen gleichzeitig immer mehr Sand ins Getriebe. Wir erwarten daher, dass sich die rezessive Entwicklung in den USA weiter verstärkt, da Fed-Chef Jerome Powell keine Zweifel daran aufkommen lässt, dass sich die Fed auch nicht durch eine allenfalls schwerer wiegende Rezession in ihrer Inflationsbekämpfung beirren lässt.

Eurozone: Eine Rezession scheint unvermeidlich

Bereits schon ziemlich düster zeigt sich der Konjunkturhimmel über Europa. Die Eurozone ächzt unter den Folgen des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Energiekrise. Die Produktionskosten sind bereits in schwindelerregende Höhen geklettert und dürften noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Den Konsument*innen wiederum frisst die ausser Kontrolle geratene Inflation im schmerzhaften Umfang die Kaufkraft weg, was oft nur über Konsumzurückhaltung aufgefangen werden kann. Die Folge ist ein verhängnisvolles Aufeinandertreffen von angebotsseitigen Preisschocks und einer wegbrechenden Konsumnachfrage aufgrund der hohen Teuerung.

Dass die Eurozone vor diesem Hintergrund im weiteren Jahresverlauf in eine Rezession abgleitet, erachten wir mittlerweile als unvermeidlich. Mit ihrem nun ebenfalls forschen Zinsstraffungskurs leistet die EZB dieser Entwicklung zusätzlich Vortrieb. Wie markant der Wirtschaftsrückgang ausfallen wird, hängt letztlich ab von der Kälte im Winter, den geo- und energiepolitischen Unwägbarkeiten sowie dem Umfang der Fiskalstimuli, die schon vielerorts in Vorbereitung sind. Fallen diese sehr üppig aus, können sie – zum Preis einer späteren inflationsseitigen Entladung – den konjunkturellen Gegenwind durchaus spürbar abschwächen.

Schweiz: Eine Stagnationsphase wird wahrscheinlicher

Nicht ganz so trüb, aber doch schon merklich in herbstlicher Stimmung präsentiert sich die Situation in der Schweiz. Bislang schlägt sich die hiesige Konjunktur einigermassen wacker, was vor allem auf die anhaltend robuste Konsumnachfrage und die solide laufende Industrie zurückzuführen ist. Zudem bleibt die Schweiz bezüglich Inflation weiterhin der sprichwörtliche Einäugige, der unter den Blinden König ist.

Der Gegenwind frischt aber auch für die Schweizer Wirtschaft unangenehm auf. Während sich die Lage in der Industrie aufgrund des globalen Konjunkturumfeldes und der sprunghaft steigenden Energiepreisen eintrübt, wird die Konsumnachfrage in erster Linie durch die teilweise explodierenden Strompreise für die Privathaushalte belastet. Der durchschnittliche Preisaufschlag von 30 Prozent im 2023 bewirkt einen erheblichen Kaufkraftverlust, der zu einer spürbaren Konsumzurückhaltung führen wird.

Trotz dieser trüben Aussichten erwarten wir, dass die Schweiz an einem Wirtschaftsrückgang knapp vorbeischrammen wird. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass das Schweizer BIP-Wachstum – nicht zuletzt aufgrund der SNB-Zinserhöhungen – zum Jahreswechsel stagnieren wird. Wie in Europa ist ein entscheidendes Kriterium der Winter an sich sowie die Dauer und die «Tiefe» effektiver Energiemangellagen.


Unsere Positionierung

Erhöhte Vorsicht ist angezeigt

Um den erhöhten Rezessionsrisiken Rechnung zu tragen, reduzieren wir die Aktienquote um 2 Prozentpunkte. Im Umfeld der gestiegenen Renditen stocken wir gleichzeitig Obligationen Schweiz um 4 Prozentpunkte auf.

Obligationen:

Nachdem die Notenbanken am jährlichen Treffen in Jackson Hole klargemacht haben, dass sie der Bekämpfung der Inflation nach wie vor oberste Priorität einräumen und die Zinsen für längere Zeit hoch bleiben werden, haben die Renditen bei den Obligationen im August wieder deutlich angezogen. Wir reduzieren deshalb das starke Untergewicht bei den Obligationen Schweiz um 4 Prozentpunkte zulasten der Aktien und der Liquidität. Nach wie vor gehen wir davon aus, dass der Zinsdruck Bestand haben wird.

Aktien:

Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Inflationsdynamik erwarten wir, dass die Zentralbanken an ihrem aggressiven geldpolitischen Straffungskurs festhalten werden. Die entsprechend steigenden Zinsen belasten die Konjunkturentwicklung und erhöhen das Rezessionsrisiko auf beiden Seiten des Atlantiks. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, reduzieren wir das Risiko in unserem Portfolio, indem wir den Aktienanteil um 2 Prozentpunkte senken. Aufgrund der geringen Abhängigkeit von russischer Energie sehen wir die US-Wirtschaft nach wie vor besser gewappnet, um eine Rezession zu vermeiden. Allerdings hat das Risiko einer harten Landung zugenommen. Für die Eurozone hingegen gehen wir in den kommenden Monaten von einer rückläufigen Wirtschaftsentwicklung aus. Wir halten deshalb am bestehenden Untergewicht europäischer Aktien zugunsten amerikanischer und Schweizer Aktien fest.

Alternative Anlagen:

Nachdem wir im Juli den Anteil ausländischer Immobilienanlagen angesichts steigender Zinsen und erhöhter Rezessionsrisiken reduziert haben, halten wir an der aktuellen taktischen Ausrichtung der Alternativen Anlagen fest. Trotz durchwachsener Performance im Umfeld steigender Realzinsen halten wir insbesondere aufgrund der gestiegenen Rezessionsrisiken weiterhin an unserer Goldposition fest. Im volatilen Umfeld bleiben auch Hedge Funds ein wichtiger Bestandteil der Allokation.


Unsere Prognosen

Die Unsicherheiten bleiben hoch

Konjunktur:

In den USA dürften weitere Zinsstraffungen erheblichen Gegenwind für die US-Wirtschaft erzeugen. Wir rechnen daher mit anhaltend hohem Rezessionsdruck. Für die Eurozone scheint uns ein Abgleiten in eine allenfalls tiefere Rezession unvermeidbar. Diese dürfte sich bereits in den Zahlen zum dritten Quartal niederschlagen und sich im Jahresendviertel verstärken. Die Schweiz sollte schliesslich an rezessiven Entwicklungen vorbeischrammen, eine zwischenzeitliche Stagnation des Wirtschaftswachstums ist jedoch nicht auszuschliessen.

Inflation:

Die Preise verbleiben gesamthaft auf stark erhöhtem Niveau, wobei die Schweiz im internationalen Vergleich weiterhin mit einem blauen Auge davonkommt. In der Eurozone dürfte zumindest der Höhepunkt in diesem Herbst überschritten werden. Für die USA erwarten wir eine anhaltende Dynamikabschwächung bei der Gesamtrate, bei der Kernrate dürfte sich aber noch nicht so schnell eine Abkehr vom problematisch hohen Niveau zeigen.

Leitzinsen:

Unter den Zentralbanken scheint mittlerweile Konsens zu herrschen, dass die ausufernde Inflation auch unter Inkaufnahme konjunkturellen Abschwungs mit aller Konsequenz zu bekämpfen ist. Wir erwarten daher für die Fed, die EZB und die SNB das vorläufige Aufrechterhalten eines forschen Straffungstempos, wobei die Fed bis auf Weiteres «Pacemaker» bleiben dürfte.

Kapitalmarktzinsen:

Im Zuge der weiteren Leitzinserhöhungen wird der Renditeanstieg vorerst weitergehen, allerdings im Laufe von 2023 an Fahrt verlieren. Die US-Zinskurve wird im mittleren Segment die Inversion noch einige Zeit beibehalten. Die Zinsen in der Schweiz werden weiterhin unter jenen in der Eurozone bleiben – die Differenz dürfte sich noch etwas weiter öffnen. Der Grund dafür ist in «Flight to Quality» zu suchen.

Währungen:

Wir erwarten insgesamt wenig Bewegung bei den Wechselkursen. Der Euro wird aufgrund der Konjunktursorgen unter anhaltendem Druck bleiben, während der Dollar infolge der Zinsdifferenz kaum Terrain Preis geben dürfte.


Disclaimer
Die in dieser Publikation der Migros Bank AG enthaltenen Informationen dienen zu Werbe- und Informationszwecken gemäss Art. 68 des Finanzdienstleistungsgesetzes. Sie sind nicht das Ergebnis einer (unabhängigen) Finanzanalyse. Die darin enthaltenen Informationen begründen weder eine Aufforderung, ein Angebot noch eine Empfehlung zum Kauf und Verkauf von Anlageinstrumenten oder zur Durchführung bestimmter Transaktionen oder zum Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes, sondern haben ausschliesslich beschreibenden, informativen Charakter. Die Informationen stellen weder ein Kotierungsinserat, ein Basisinformationsblatt noch einen Prospekt dar. Insbesondere stellen sie keine persönliche Empfehlung oder Anlageberatung dar. Sie berücksichtigen weder Anlageziele, das bestehende Portfolio noch die Risikobereitschaft oder Risikofähigkeit oder finanzielle Situation oder andere besondere Bedürfnisse des Empfängers. Der Empfänger ist ausdrücklich aufgerufen, seine allfälligen Anlageentscheide auf Grund eigener Abklärungen inklusive Studium der rechtsverbindlichen Basisinformationsblätter und Prospekte oder auf der Informationsbasis einer Anlageberatung zu treffen. Die rechtsverbindlichen Produktdokumentationen sind, sofern diese vorgeschrieben und vom Emittenten bereitgestellt wurden, über migrosbank.ch/bib erhältlich. Die Migros Bank übernimmt keine Garantie für die Richtigkeit bzw. die Vollständigkeit der vorliegenden Informationen und lehnt jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, welche durch den Gebrauch dieser Information entstehen könnten. Die vorliegenden Informationen stellen lediglich eine Momentaufnahme im aufgedruckten Zeitpunkt dar; es erfolgen keine automatischen, regelmässigen Anpassungen.

© Migros Bank, Santosh Brivio (Einschätzung und Prognosen); Michael Birrer (Positionierung)