Der Globalisierung schlägt nicht erst seit Corona eine diffuse Skepsis entgegen. Vom Verschwinden bedroht ist die internationale Wirtschaftsverflechtung damit bei Weitem nicht. Gewisse Renationalisierungstendenzen werden sich aber verstärken.
Man reibt sich die Augen: Ausgerechnet Robert Habeck redete am Davoser WEF einer Stärkung des internationalen Handels das Wort. Der grüne Wirtschaftsminister Deutschlands kam zwar nicht umhin, im gleichen Atemzug vor einer «ungezügelten Globalisierung» zu warnen. Für einen Spitzenpolitiker jener Partei, die noch vor wenigen Jahre mit einiger Vehemenz gegen Freihandelsabkommen mit den USA oder Kanada («TTIP», bzw. «CETA») eintrat, ist das Bekenntnis zu offenen Märkten als «Antwort auf Krisen» aber zumindest bemerkenswert.
Ungeachtet der politischen Dimension: Robert Habeck legte zu Recht den Finger auf den wunden Punkt der globalen Wirtschaftsentwicklung. Denn die Globalisierung und mit ihr der möglichst freie Warenhandel finden sich in herausfordernden Zeiten wieder. Die weltweite Arbeitsteilung mit ungehindertem Güter-, Dienstleistungs- und Personenverkehr wird zusehends als diffuse Bedrohung wahrgenommen und nicht mehr als Wohlstandsbringerin für möglichst viele Menschen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs haben diesen Trend dabei höchstens verstärkt, aber nicht verursacht. Denn gemessen am weltweiten Handel ist die immer tiefere wirtschaftliche Integration schon länger ins Stocken geraten – spätestens seit Donald Trump und seinem Solgan «America first».
Migrationsbewegungen, Bereinigung nationaler Wirtschaftsstrukturen, Arbeitsplatzverlagerungen sowie jüngst die anhaltenden Versorgungsstörungen und die offensichtlich gewordene (Energie-)Abhängigkeiten von fragwürdigen Regimen: Einer international immer enger verflochtenen Wirtschaft weht ein rauer Gegenwind entgegen. Weniger Abhängigkeit und mehr Autonomie sind das Gebot zur Stunde.
Globale Politik statt globaler Wirtschaft
Damit befindet sich die Wirtschaft auf gegenteiligem Kurs als die Politik, die Lösungen immer mehr in überstaatlicher Zusammenarbeit sucht. Man denke beispielsweise an die Fragen rund um den Klimaschutz, der Mindestbesteuerung oder der Internetregulierung.
In der Realwirtschaft indessen verstärkt sich – zumindest vorübergehend – der Trend weg von der Globalisierung, hin zur Regionalisierung. Der Produktionsstandort China wird aufgrund des autoritären Systems und des konjunkturellen Taumelns des Wirtschaftsriesen zusehends in Frage gestellt. Die Energieerzeugung vor der eigenen Haustür soll forciert und die internationale Abhängigkeit abgebaut werden. Bei Lebensmitteln setzt sich der Trend zu regionalen Produkten weiter fort, und der Tourismus entdeckt seit der Pandemie wieder stärker die heimische Kundschaft. Die zumindest teilweise Abkehr von der globalen Arbeitsteilung deutet sich damit bereits in vielen Bereichen an, auch wenn die Weltwirtschaft weiterhin stark verzahnt bleiben wird.
Resilienz als Attraktivitätskriterium
Es ist müssig darüber zu sinnieren, ob die eingesetzte Renationalisierungstendenz tatsächlich im Sinne der weltweiten Wohlfahrtsmaximierung ist. Tatsache ist jedoch, dass sich diese Ansätze eines Paradigmen-Wechsels nicht nur in den realwirtschaftlichen Strukturen manifestieren, sondern auch vor der Anlagewelt nicht Halt machen. Mindestens solange Corona noch präsent ist, die Lieferketten gestört bleiben oder die Verwerfungen infolge des Krieges andauern, wird auch die Frage nach der Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks die Anleger*innen bei ihren Investitionsentscheiden beeinflussen. Unternehmen, die auch in einer etwas weniger globalisierten Welt gut zurechtkommen, dürften damit einen zunehmenden relativen Attraktivitätsvorteil aufweisen.
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