Anlageüberblick Juni 2023
Mühselige Schlussetappe
Die globale Konjunkturlage präsentiert sich zur Jahresmitte merklich eingetrübt. Insbesondere die Eurozone, aber auch die USA stehen im Gegenwind. Eine weiterhin defensiv ausgerichtete Positionierung bleibt daher angezeigt.
Unsere Einschätzung
Der Zinsgipfel rückt näher
Wer Ausdauersport betreibt, kennt das vermutlich: Die Schlussetappe wird nochmals eine zähe Angelegenheit. Das Ziel ist zwar nicht mehr weit, doch sowohl Körper als auch Geist sind müde, und hinter der herbeigesehnten vermeintlich letzten Kurve lauert zu oft eine weitere Biegung oder ein weiterer Anstieg.
Ähnlich präsentiert sich die Lage derzeit auch mit Blick auf die Geldpolitik. Das Ziel – der Zinsgipfel – ist zwar sehr nahe gerückt. Doch die Gefahr bleibt, dass auf den erhofften letzten Rank doch noch ein weiterer folgen wird.
Die klebrige Kerninflation bleibt eine Herausforderung
Am stärksten trifft diese Situation wohl auf die Fed zu. Nach der steilsten Zinsanhebung seit den 1980er Jahren ist die US-Notenbank der Zielgerade so nahe wie kaum eine der grossen Notenbanken. Doch trotz einer Leitzinserhöhung von 500 Basispunkten auf aktuell 5,25 Prozent (Upper Bound) tut sich vor dem Zinsgipfel wahrscheinlich doch nochmals eine weitere Kurve in Form einer abermals notwendigen Zinserhöhung auf. Grund dafür ist in erster Linie die hartnäckige Kerninflation, die aufgrund der erstaunlich widerstandsfähige US-Konjunktur und des anhaltend überhitzten Arbeitsmarktes auf einem zu hohen Niveau kleben bleibt.
Weiter vom Ziel entfernt als die Fed befindet sich die Europäische Zentralbank (EZB). Zwar hat sich die Jahresteuerung in der Eurozone mit zuletzt 6,1 Prozent deutlich von ihrem Rekordstand von 10,6 Prozent (Oktober 2022) gelöst. Sie liegt aber nach wie vor massiv über der anvisierten Marke von knapp 2 Prozent, und die Kernrate von aktuell 5,3 Prozent notiert fernab des für die EZB tolerierbaren Bereichs. Sie wird somit nicht umhinkommen, mittels weiteren Zinsschritten Gegensteuer zu geben.
Kompromisslose SNB
Ebenfalls noch nicht auf die Zielgerade eingebogen ist die Schweizerische Nationalbank (SNB). Zwar mutet hierzulande der Preisauftrieb mit einer Jahresrate von 2,2 Prozent (Kernrate 1,9 Prozent) vergleichsweise moderat an. Sie liegt aber doch über der SNB-Zielmarke von knapp 2 Prozent und ist den Schweizer Währungshütern damit ein Dorn im Auge. Denn das SNB-Direktorium hat in der Vergangenheit unmissverständlich und kompromisslos zur Wahrung des Preisstabilitätsmandats bekannt. Bis zum Jahresende ist somit auch in der Schweiz noch mit einem bis zwei Zinsschritte zu rechnen, zumal die hiesige Wirtschaft diese absorbieren kann, ohne in ein rezessives Terrain abzurutschen.
Dennoch führt das gestiegene und weiter steigende Zinsniveau auch bei der Schweizer Konjunktur zur Bremseffekten. Nach dem starken Quartalswachstum von 0,3 Prozent im ersten Jahresviertel wird daher die Konjunkturdynamik vorerst an Fahrt verlieren.
Aufgrund der relativ niedrigen Inflation ist jedoch nicht von einer gravierenden Erosion der privaten Konsumnachfrage als entscheidender Wachstumstreiber auszugehen. Ins Gewicht fällt vielmehr der starke konjunkturelle Gegenwind insbesondere im europäischen Ausland. Die dort weiterhin deutlich überschiessende Inflation – die sich unter Ausklammerung von Basiseffekten wenn überhaupt nur geringfügig entspannt hat – verhindert vorderhand eine weitere Wirtschaftserholung und kann sogar für negative Wachstumsphasen sorgen. Als exportorientierte und offene Volkswirtschaft kann sich die Schweiz diesem Umfeld zu einem gewissen Grad nicht entziehen.
Ja, die Geldpolitik ist vielerorts auf den letzten Streckenabschnitt des Zinserhöhungszyklus eingebogen. Es dauert jedoch noch etwas bis der Gipfel definitiv erreicht wird. Gleichzeitig geht die Zielerreichung auf teils erheblichen Kosten der Wirtschaftsaktivität. Die Schlussetappe ist und bleibt mühselig.
Unsere Positionierung
Wir halten an der leicht defensiven Ausrichtung fest
Die Aussichten für den weiteren Jahresverlauf sind von Wachstums- und Inflationsrisiken geprägt. Die Inflationsbekämpfung bleibt weiterhin zuoberst auf der Prioritätenliste der Zentralbanken. Es gilt, die Gefahr der Lohn-Preis-Spirale zu bannen, ohne die Konjunktur zu stark abzukühlen. So bleibt das Anlageumfeld vorerst angespannt. Wir halten deshalb an unserer leicht defensiven Ausrichtung des Portfolios fest.
Obligationen
Der Straffungszyklus der Zentralbanken neigt sich dem Ende zu. Es ist noch mit einigen Schritten im laufenden Jahr zu rechnen, aber im nächsten Jahr werden die ersten Lockerungen stattfinden. Deshalb weisen die Zinskurven invertierte Elemente auf. Kurzfristig werden die bevorstehenden und bereits eingepreisten Zinserhöhungen zu höheren Renditen führen, während auf längere Sicht dank der erwarteten Entspannung bei der Inflation, der Verbesserung der wirtschaftlichen Aussichten sowie die Lockerung der Geldpolitik mit tieferen Renditen der langfristigen Anleihen zu rechnen ist. Insbesondere in den USA dürfte das Renditeniveau aufgrund von politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit sowie infolge der Fed-Bilanzabschmelzung erhöht bleiben. Wir ändern vorerst nichts an der leichten Untergewichtung der Anlageklasse.
Aktien
Trotz der wirtschaftlich unsicheren Lage haben die Aktienmärkte seit dem Jahresanfang deutlich zugelegt. Unternehmensgewinne sind besser als befürchtet ausgefallen und in der Schweiz und in den USA ist der private Konsum robust geblieben. Der Anstieg der Börsenkurse ist allerdings nicht breit aufgestellt, sondern eher auf die Rally von Tech-Unternehmen zurückzuführen. Für die kommenden Monaten gehen wir von einer Wachstumsabkühlung aus, welche die Margen und Unternehmensgewinne unter Druck bringt. Angesichts erhöhten Rezessionsrisikos halten wir am leichten Untergewicht bei den Aktien fest.
Alternative Anlagen
Die internationalen Immobilienmärkte bleiben aufgrund der hohen Zinsen und des wirtschaftlichen Gegenwinds unter Druck. Dies gilt nach wie vor nur sehr bedingt für den Schweizer Immobilienmarkt, der sich – unterstützt durch die anhaltend hohe Nachfrage sowie das knappe Angebot – erstaunlich robust zeigt. Wir halten deshalb an Schweizer Immobilien als wichtige Portfoliobeimischung fest. Daneben setzen wir nach wie vor auf Gold als diversifizierendes Portfolioelement in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld.
Unsere Prognosen
Der Wirtschaftsmotor stottert
Konjunktur
Die globale Konjunktursituation bleibt über die Sommermonate von erheblichen Bremseffekten geprägt. Am stärksten wirken sich diese in der Eurozone aus, wo die wichtige private Konsumnachfrage unter der anhaltend hohen Inflation ächzt, während das steigende Zinsniveau zunehmend Sand in das Getriebe des Wirtschaftsmotors streut.
In den USA zeigt sich die Konjunktur bislang erstaunlich «trotzig» gegenüber den massiven Bremsversuchen der Fed. Insbesondere der Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin unbeeindruckt und befindet sich nach wie in einem überhitzten Zustand. Trotz der zuletzt sich stark eintrübenden Vorlaufindikatoren halten wir vor diesem Hintergrund an unserem Basisszenario fest, wonach die US-Wirtschaft an einer scharfen Rezession vorbeischrammen dürfte.
Die Schweizer Wirtschaft befindet sich in einem vergleichsweise robusten Zustand. Nach dem starken Auftaktsquartal fordern das erhöhte Zinsniveau und das schwierige globale Konjunkturumfeld aber auch hierzulande seinen Tribut – das Wachstum wird spürbar an Schwung verlieren. Rückhalt verleiht der Schweizer Konjunktur aber weiter das starke Gewicht von defensiven Branchen und die intakte private Konsumnachnachfrage. Eine Rezession zeichnet sich nach wie vor nicht ab.
Inflation
Die überschiessende Inflation befindet sich in weiten Teilen der westlichen Welt auf dem Rückzug. Dieser nachlassende Inflationsdruck ist unseres Erachtens aber mit Vorsicht zu geniessen: Erstens notieren die Teuerungsraten weiterhin deutlich über den von den Notenbanken anvisierten Zielmarken und insbesondere die Kernraten erweisen sich als hartnäckig klebrig. Zweitens ist der Inflationsrückgang zu einem wesentlichen Teil Basiseffekten geschuldet und der tatsächliche Kaufkraftverlust bleibt insbesondere in Europa eine erhebliche Konjunkturbelastung. In der Währungsunion bleibt vor diesem Hintergrund die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale wie in den USA erhöht.
Leitzinsen
Der Zinsgipfel rückt näher. Aber weder in der Schweiz, noch in den USA oder in der Eurozone ist er bereits erreicht. Für alle drei Wirtschaftsräume rechnen wir jedoch nur noch mit einer überschaubaren Erhöhung, die im weiteren Jahresverlauf abgeschlossen sein wird. Nach wie vor erwarten wir für 2023 keine Zinssenkung.
Kapitalmarktzinsen
Den starken Rückgang der Rendite zehnjähriger Eidgenossen erachten wir in diesem Ausmass als nicht nachhaltig. Angesichts der Unsicherheiten in der Währungsunion verorten wir für die europäischen Staatsanleihen kurzfristig einen nach oben gerichteten Zinsdruck, dem sich auch die Schweizer Papiere nicht entziehen können.
Für die US-Treasuries erwarten wir ein anhaltend erhöhtes Rendite-Niveau. Dies aufgrund des konjunkturellen Gegenwindes, den Unsicherheiten im Zuge des anlaufenden Präsidentschaftswahlkampfes und der weiteren Bilanzabschmelzung der Fed.
Währungen
Aufgrund der fragilen Lage der US-Konjunktur und die von den Märkten bereits eingepreiste Zinssenkungen in der unmittelbaren Zukunft, wird der Dollar tendenziell unter Druck bleiben. Insgesamt dürfte der Greenback jedoch die Talsohle hinter sich gelassen haben und nach unten nicht zuletzt aus Zinsdifferenz-Gründen abgesichert bleiben.
Den Euro erwarten wir aus konjunkturellen und strukturellen Gründen gegenüber dem Schweizer Franken weiterhin im Hintertreffen. Eine Rückkehr zur Parität zeichnet sich bei EUR/CHF vorerst nicht ab.
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