Anlageüberblick November 2024
Trump 2.0: Quo vadis?
Editorial
Eierlegende Wollmilchsau?
Unsere Einschätzung
Europa: Realitäts-Check voraus
Zentralbanken
Vorsichtigere Fed
Kapitalmarkt
Risikoprämie hält die Zinsen hoch
Aktien
Aktienmärkte unter Trump 2.0
Alternative Anlagen
Seitwärts-Tendenz bei Öl und Gold
Unsere Positionierung
Keine Veränderung der Allokation
Fokusthema
Trump: Einfluss auf Schweizer Aktien
Unsere Prognosen
Deutliche Impulse bleiben aus
Editorial
Eierlegende Wollmilchsau?
Liebe Anlegerinnen und Anleger
Donald Trump hat den Amerikanerinnen und Amerikanern im Wahlkampf viel versprochen: Mehr Wirtschaftswachstum, tiefere Steuern, niedrigere Zinsen und nicht zuletzt weniger Inflation. Letzteres dürfte ein entscheidender Faktor für seine erneute Wahl zum US-Präsidenten gewesen sein, denn während wohl kaum ein Wähler Nein zu tiefen Zinsen und Steuersenkungen sagt, stand die zwischenzeitlich ausufernde Inflation in den vergangenen Jahren ganz zuoberst auf dem Sorgenbarometer der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger. Obwohl es der amerikanischen Zentralbank (Fed) gelungen ist, die Inflation deutlich einzudämmen – ohne dabei die Wirtschaft abzuwürgen – läuft noch immer vielen Amerikanerinnen und Amerikanern beim Blick auf den Kassenbon ein kalter Schauer über den Rücken. Verständlicherweise, denn viele Güter des täglichen Lebens sind heute massiv teurer als noch vor einigen Jahren. Dass in der gleichen Zeit die US-Nominallöhne stärker gestiegen sind als die Inflation, die Kaufkraft der Amerikanerinnen und Amerikaner also zugenommen hat, wird von der amerikanischen Öffentlichkeit angesichts der gefühlten Preisexplosion deutlich weniger wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Donald Trump bei vielen Wählerinnen und Wählern mit dem Versprechen punkten konnte, die Inflation zu bändigen beziehungsweise gar die Preise zu senken.
Weniger verständlich ist, wie der neu gewählte US-Präsident dieses Versprechen einzulösen gedenkt, denn zentrale Pfeiler seines wirtschaftspolitischen Programms führen nicht etwa zu weniger Inflation, sondern wirken im Gegenteil preistreibend. Zuallererst sind in diesem Zusammenhang die angedrohten Zölle zu nennen, die wohl zu grossen Teilen von den US-Konsumentinnen und US-Konsumenten in Form höherer Preise bezahlt werden. Mit der angekündigten Reduzierung der Immigration wiederum riskiert Trump ein Wiederaufflammen der gefürchteten Lohn-Preis-Spirale und damit die Wiederbelebung eines grundlegenden Inflationstreibers. Deregulierung und Steuersenkungen werden zwar das US-Wirtschaftswachstum antreiben – quasi als Nebeneffekt aber wohl auch die Inflation.
Wie vereinbar das grundsätzlich inflationstreibende Trumpsche Wirtschaftsprogramm mit den versprochenen tiefen Zinsen ist, bleibt ebenso fragwürdig. Einerseits wird die Fed auf eine allfällig wieder aufflackernde Inflation mit noch mehr Zurückhaltung bei den geplanten Leitzinssenkungen reagieren, andererseits führt der angesichts der geplanten Steuersenkungen weiterwachsende Schuldenberg dazu, dass am Markt vermehrt eine Risikoprämie für das Halten von US-Staatsanleihen gefordert wird. Beides führt tendenziell dazu, dass die hohen Zinsen in den USA eher später als früher sinken.
Man darf also gespannt sein, wie Donald Trump seine zahlreichen Wahlversprechen einzulösen gedenkt – und ob die in Aussicht gestellte «eierlegende Wollmilchsau» sich zu guter Letzt nicht einfach nur als gewöhnliches Schweinchen entpuppt.
Und was darf der Rest der Welt von Donald Trump 2.0 erwarten? Welche Regionen und Unternehmen könnten profitieren, welche unter Druck geraten? Wo liegen die grössten Risiken? Das verraten wir Ihnen in dieser Ausgabe des Anlageüberblicks.
Herzlich
Michael Birrer
Leiter Research & Advisory
Unsere Einschätzung
Europa: Realitäts-Check voraus
Die erneute Trump-Präsidentschaft wirft aus Konjunktursicht bereits ihre Schatten voraus. Für Europa dürfte die schon schwierige Lage noch ungemütlicher werden, während die Schweiz sogar leichten Grund zur Hoffnung hat.
Donald Trump wird 47. Präsident der Vereinigten Staaten und zieht damit in rund zwei Monaten erneut ins Weisse Haus ein. Damit ist Fakt, was insbesondere in Europa während des Wahlkampfs viele Beobachterinnen und Beobachter nicht wahrhaben wollten, und wovor sie die Augen verschlossen. Nämlich, dass der umstrittene Ex-Präsident über eine reelle Wahlchance verfügt.
Sie wurden eines Besseren belehrt. Donald Trump räumte nicht nur in den umkämpften Swing States ab, sondern holte zudem auch eine satte absolute Mehrheit an Wahlstimmen und vermochte im Vergleich zu 2016 bemerkenswert viele neue Wählergruppen zu erschliessen. Gleichzeit eroberten die Republikaner die Mehrheit im Senat und werden wohl auch im Repräsentantenhaus über das absolute Mehr verfügen.
Keine Ausflüchte mehr
Damit wurden viele in Europa auf dem falschen Fuss erwischt. Nicht nur muss sich Politik und Wirtschaft mit einer erneuten Administration Trump arrangieren, sondern auch mit einem Präsidenten, der allem Anschein nach bis für mindestens zwei Jahre «durchregieren» kann, also bei der Umsetzung seiner Politik kaum auf parlamentarischen Gegenwind stossen wird.
Das europäische «Es kann nicht sein, was nicht sein darf» wurde in der Nacht auf den 6. November jäh demaskiert. Und zumindest in dieser Hinsicht liegt etwas Gutes in der Widerwahl Trumps: Europa – wie auch der Rest der Welt – muss sich mit dem oftmals erratischen und unberechenbaren Regierungsstil des Republikaners einem schonungslosen Realitäts-Check stellen. Das Hoffen auf internationale Kooperation und die oftmals willkommene Verantwortungsdelegation durch den Hinweis auf das Verhalten Amerikas funktioniert nicht mehr. Denn bei aller Unberechenbarkeit – eine Lehre lässt sich aus der ersten Amtszeit Donald Trumps ziehen: Der Republikaner betreibt mit «America first» eine kompromisslose Interessenspolitik. Charles de Gaulles «Staaten haben keine Freunde, nur Interessen» wird unter Donald Trump erneut vom verdrängten Primat zur unbequemen Wahrheit.
Insofern fällt der Realitäts-Check für Europa besonders konsternierend aus. Die Verteidigungsfähigkeit ist nach wie vor desolat und hat in den vielen EU-Staaten die Bezeichnung als solche nicht verdient. Um einen Aggressor wie Putin nur einigermassen glaubhaft die Stirn bieten zu können, wären Abermilliarden Euro an Investitionen in die jahrzehntelang vernachlässigten militärischen Strukturen von Nöten. Geld, das die klamme EU aber nicht hat, da die Friedensdividende anderweitig verwendet wurde. Dass sich Amerikas «hard power» immer mehr – nicht erst seit Donald Trump – weg von Europa in Richtung des strategischen Gegners im Osten verlagert, wurde geflissentlich verdrängt und wahltaktisch ignoriert.
Wer bezahlt die Verteidigungsfähigkeit?
Diese Selbsttäuschung dürfte nicht mehr funktionieren. Dass er viele der auf den alten Kontinenten stationierten Truppen lieber gestern als morgen abgezogen sähe, daraus machte Donald Trump bereits während der ersten Amtszeit nie einen Hehl. Mit den neuen politischen Mehrheiten in Washington und weggefallenem Wiederwahlkalkül droht eine neue Stufe der Kompromisslosigkeit, auf die Europa wohl oder übel nur mit drastischen Mehrausgaben für die Verteidigung reagieren kann.
Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung kaum über eine höhere Mitteleinahme erfolgen kann. Denn in der aktuellen Konjunktursituation ist die Hoffnung auf unmittelbar stärker sprudelnde Steuererträge illusorisch. Die grossen EU-Volkswirtschaften befinden sich in konjunkturell mehr oder weniger heftigem Gegenwind und/oder sehen sich mit einer Finanzlage konfrontiert (beispielsweise Frankreich oder Italien), bei der jeglicher noch so kleine Spielraum als reines Wunschdenken bezeichnet werden muss.
Diese wenig beschauliche Lage wird in den kommenden Jahren noch ungemütlicher werden. Denn mit Trumps «America first»-Politik dürfte sich der Fluss des internationalen Investorenkapitals noch stärker in Richtung USA verlagern, als dies bereits heute der Fall ist. Auch wenn jedes liberal gesinnte Herz bluten muss (doch vielleicht gehört auch das zu einem Realitäts-Check), so gehört auch die Beantwortung der folgenden Frage zu einer unbequemen Wahrheit: Investiert man das eigene Kapital lieber in eine immer stärker protektionistische Volkswirtschaft, die binnenwirtschaftlich aber im Zeichen der Deregulierung, der fiskalischen Anreize oder der steuerlichen Begünstigung der sowieso schon starken Konsumentinnen und Konsumenten steht? Oder alloziert man das Kapital in einen vielleicht etwas weniger protektionistischen Wirtschaftsraum, der unter einer überbordenden Regulierungswut ächzt, wo die bereits hohe Steuerbelastung grundsätzlich nur die Richtung nach oben kennt und der unternehmerische Spielraum immer kleiner wird? Eben.
Luftschlösser drohen einzustürzen
Allein schon diese Überlegungen verdeutlichen, dass der kompetitive Rückstand Europas zu den USA unter Donald Trump weiter anwachsen wird – und dabei sind flächendeckende US-Zölle von 10 oder 20 Prozent noch nicht einmal berücksichtigt. Der mit Trump unumgängliche Realitäts-Check wird ungeschönt offenbaren, dass Europa im Streben nach immer höheren moralischen, ökologischen und gesellschaftlichen Sphären die wirtschaftliche Dimension sträflich vernachlässigte. Lieferkettengesetz, «New Green Deal», Energiewende, (sehr) laxe Einwanderungspolitik, KI-Regulierung – was aus normativer Sicht oftmals seine unbestrittene Berechtigung hat, besteht den knallharten ökonomischen Realitäts-Check in den seltensten Fällen und erst recht nicht, wenn die unangefochtene Supermacht regulativ entfesselt zum Powerplay ansetzt. Die hehren Absichten Europas werden zum realwirtschaftlichen Bumerang, der seine Kraft nicht zuletzt wegen der überambitionierten Zielsetzung überhaupt erst entfalten kann. Gut gemeint, ist eben wie so oft das Gegenteil von gut gemacht.
Das Ende der Selbsttäuschung, das die europäische Auto-Industrie unabhängig von Trump bereits erfasst hat, wird für Europa schmerzlich sein. Ein wirtschaftliches Aufholen des Alten Kontinenten zeichnet sich zumindest in einer ersten Phase von Trumps Präsidentschaft nicht ab. Vielmehr dürfte sich der konjunkturelle Kriech- und Seitwärtsgang zugunsten einer noch robusteren US-Wirtschaft weiter in die Länge ziehen. Des einen Freud ist auch in globalwirtschaftlicher Hinsicht des anderen Leid.
Schweiz: Zwischen Stuhl und Bank…
Aus Schweizer Sicht findet man sich bei dieser neuen weltwirtschaftlichen Ausgangslage einmal mehr irgendwo in der Mitte wieder. Mit einem Anteil von 43 Prozent am gesamten Schweizer Aussenhandel ist die EU für viele hiesige Unternehmen von grosser Bedeutung. Verschärft sich der wirtschaftliche Gegenwind in Europa, geht dies somit auch an der Schweizer Wirtschaft nicht spurlos vorüber. Kommen zudem die von Trump kolportierten US-Zölle, wird dies für die Exportwirtschaft zu einer ungemeinen Belastung: Die USA sind zusammen mit China für die Schweiz mittlerweile das bedeutendste Exportland – noch vor Deutschland.
Zieht Donald Trump tatsächlich ein umfassendes und rigoroses Zollregime auf, wäre dies für die Schweizer Wirtschaft demnach ein doppelter Schlag in die Magengrube. Einerseits verteuern sich die aufgrund des starken Frankens die bereits teuren Exporte in die USA schlagartig und andererseits verschärft sich damit die wirtschaftliche Misere in der EU, und damit bei unserem wichtigsten Handelspartner zusätzlich.
…mit leichtem Hoffnungsschimmer
Sieht die künftige Administration Trump aber von solchen Zöllen ab, ist die Ausgangslage für die Schweizer Wirtschaft gar nicht so schlecht. Von der erwarteten Deregulierung in der Finanzbranche profitieren auch helvetische Institute mit einer substanziellen Übersee-Tätigkeit. Für die Pharmabranche wiederum ist mit der Nichtwahl von Kamala Harris die Gefahr von sinkenden Gewinnmargen in den USA vorerst vom Tisch. Den Herstellern von Konsumgüterartikel wiederum dürften steuerliche Entlastungen breiter amerikanischer Bevölkerungskreise zum Vorteil gereichen.
Und nicht zuletzt scheint das Verhältnis zwischen der Schweiz und den USA grundsätzlich besser zu sein, wenn in Washington eine republikanische Regierung an der Macht ist. Mehrere Belastungsproben in der Beziehung der beiden Schwesterrepubliken fielen in die Amtszeit demokratischer Präsidenten – wie zum Beispiel der Streit ums Bankkundengeheimnis unter Barack Obama. Andererseits stand die Schweiz nie so nahe vor Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA wie in der ersten Regierungszeit von Donald Trump. Dass es damals nicht klappte, lag vor allem an Schweizer Partikularinteressen, die nicht rechtzeitig vor Joe Bidens Amtsübernahme aligniert werden konnten.
Ob ein solches Abkommen in der zweiten Amtszeit Donald Trumps nun unter Dach und Fach gebracht werden kann oder ob im Gegenteil baldiger Katzenjammer über neue Zollschranken anbricht, ist derzeit schwierig abzuschätzen. Gegenwärtig tendieren wir dahingehend eher zu leichtem Optimismus, als dass wir die Zollandrohungen als Instrument zur Schaffung einer für die USA optimalen Verhandlungsbasis ansehen. Doch sicher ist bei einem Donald Trump kaum etwas. Die eingangs erwähnte Unberechenbarkeit Trumps wird auch für die Schweiz ein Stück weit zum Realitäts-Check.
Santosh Brivio
Senior Economist
Zentralbanken
Vorsichtigere Fed
Aufgrund der weiterhin robusten US-Wirtschaft und der voraussichtlichen Folgen der Wirtschaftspolitik Trumps wird die Fed das Lockerungstempo reduzieren. Die EZB und die SNB bereiten sich auf weitere Zinssenkungen vor.
Schweizerische Nationalbank
0,6 Prozent: So tief war die Inflation in der Schweiz zuletzt im Juni 2021. Somit befindet sich die aktuelle Teuerung im Oktober im unteren Bereich des Zielbandes der SNB (0 bis 2 Prozent). Deshalb liegt der Fokus der Währungshüter auf den Abwärtsrisiken der Inflation. Die Entspannung auf der Preisseite gewinnt an Breite und es gibt bereits einige Konsumbereiche (z.B. Nahrungsmittel), deren Preise tiefer sind als ein Jahr zuvor. Beeinflusst wird diese Dynamik durch den steigenden Aussenwert des Frankens, der die Importgüter verbilligt und das Preisniveau in der Schweiz nach unten zieht. Um dieser Dynamik entgegenzuwirken, signalisierte die SNB noch mindestens zwei weitere Zinssenkungen. Das Instrument der Devisenmarktinterventionen dürfte nur punktuell und nicht grossflächig eingesetzt werden.
Europäische Zentralbank
Mit der Zinssenkung vom Oktober drückte die EZB aufs Gas und verliess den anfänglichen Quartalsrhythmus. Die Desinflationsdynamik erlaubt der EZB mehr Spielraum für eine weitere Lockerung der Geldpolitik, ohne einen erneuten Anstieg der Teuerung befürchten zu müssen. Grund dafür ist die schwache Konjunkturlage in den grössten Volkswirtschaften der Eurozone, in denen die Sparquote der Haushalte zuletzt zu Lasten des privaten Konsums zu steigen begann. Angesichts dieser Ausgangslage ist eine Reduktion des allgemeinen Zinsniveaus willkommen. Im Verlauf des nächsten Jahres dürfte die EZB dann den Fuss wieder etwas vom Gas nehmen, um schrittweise das neutrale Zinsniveau um 2 Prozent zu erreichen.
Federal Reserve
Wenig überraschend nahm die Fed eine «kleine» Zinssenkung um 25 Basispunkte unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen vor. Während der Pressekonferenz konzentrierte sich das Medieninteresse auf die Auswirkungen der Wahl Trumps und insbesondere auf seinen Einfluss auf die Geldpolitik, da sich der 47. Präsident mehrfach kritisch über den von ihm für 2018 ernannten Fed-Präsidenten Jerome Powell äusserte. Selbstverständlich betonte Powell die komplette Unabhängigkeit der Notenbank bei der Bestimmung der Geldpolitik. Aufgrund der absehbar sanften Landung, die eigentlich aus Sicht des Wirtschaftswachstums kaum noch als Landung gelten kann, und der Aussicht auf erhöhten Preisdruck durch die Einführung von Zöllen ist mit einer vorsichtigeren Fed zu rechnen. Dies wird auch so vom Markt gesehen: Im Verlauf des Oktobers revidierten die Marktteilnehmenden ihre übermässigen Erwartungen deutlich und liegen nun im Einklang mit unseren Prognosen.
Valentino Guggia
Economist
Kapitalmarkt
Risikoprämie hält die Zinsen hoch
Im Ausland entkoppelten sich die Kapitalmarktzinsen von den Leitzinsen immer mehr und «Higher for longer» konsolidiert sich. In der Schweiz steht hingegen eine neue Tiefzinsphase bevor.
Schweiz
Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen bleibt unter Druck und verharrt seit einigen Monaten bei rund 0,4 Prozent. Die Erwartung von zwei weiteren Zinssenkungen ist durch die Aussagen der SNB-Direktoriumsmitglieder fest verankert. Nach der Veröffentlichung der Oktober-Inflationsdaten hat sich am Markt die Vermutung einer dritten Zinssenkung bis zum nächsten Herbst verbreitet. Darüber hinaus sorgen die geopolitischen Spannungen für eine globale Nachfrage nach sicheren Häfen wie den Eidgenossen. Aus diesen Gründen gehen wir davon aus, dass das Aufwärtspotenzial stark begrenzt und das geldpolitische Überraschungspotenzial gering ist.
Eurozone
In der Eurozone hat sich die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen vom Leitzinssenkungspfad entkoppelt. Die 10-jährigen deutschen Staatsanleihen verzeichneten eine Renditezunahme von 2 Prozent auf 2,4 Prozent, bevor sie wieder leicht an Terrain einbüssten. Dies zeigt, wie vermehrt eine Risikoprämie aufgrund der anhaltenden Sorgen über die Verschuldung, die fehlende Haushaltsdisziplin wichtiger Mitgliedsstaaten und die konjunkturelle Flaute in die Kurse eingepreist wird. Nicht zuletzt sorgt die aktuelle politische Krise in Deutschland für noch mehr Unsicherheit in Bezug auf eine allfällige wirtschaftliche Erholung.
USA
Auch die Renditen der amerikanischen Staatsanleihen nahmen in den letzten Wochen zu. Es wird mit einer langsameren Lockerung der Geldpolitik aufgrund des resilienten Wirtschaftswachstums gerechnet. Zudem wird die Problematik der schnell wachsenden Staatsverschuldung mit der Wahl Trumps eine wichtige Rolle spielen. Steuererleichterungen für wohlhabende Bürger und Unternehmen werden mit Kürzungen der öffentlichen Ausgaben einhergehen, sodass die Auswirkungen auf das Haushaltsdefizit noch nicht eindeutig sind.
Zurzeit herrscht auf dem US-Kapitalmarkt eine positive Stimmung bezüglich des als tief empfundenen Kreditrisikos von Unternehmensanleihen mit niedriger Schuldenqualität. So verringerte sich das Renditedifferential zwischen solchen High-Yield-Anleihenund den US-Treasuries auf einen historischen tiefen Wert, was eine tiefe risikoadjustierte Entschädigung für riskantere Anleihen bedeutet.
Valentino Guggia
Economist
Aktien
Aktienmärkte unter Trump 2.0
Die neue wirtschaftspolitische Agenda der USA richtet sich auf Deregulierung, Steuersenkungen und eine Stärkung der US-Wirtschaft aus und ist vorteilhaft für den US-Aktienmarkt. Andere Regionen sind unterschiedlich betroffen.
USA
Die Energiebranche, insbesondere Öl- und Gas-Unternehmen, dürfte von der Deregulierung der Trump Administration stark profitieren. Unternehmen mit Ausrichtung auf den Bereich nachhaltige Energie könnten hingegen noch mehr Gegenwind erfahren als dies zuletzt schon der Fall war.
Auch Finanzwerte dürfen sich auf positive Auswirkungen freuen. Die Steuersenkungen sollten den Vermögensverwaltern helfen, während die höheren Zinsen den Lebensversicherern und Banken zugutekommen. Zudem ist zu erwarten, dass die Deregulierung möglicherweise durch geringere Kapitalanforderungen dem von Fusions- und Übernahmeaktivitäten geprägten Private Equity Markt Rückenwind verleihen wird.
Auch kleine und mittlere Unternehmen sollten zu den Gewinnern zählen. Einerseits profitieren sie von den geplanten Steuersenkungen, andererseits hatte Trump zuletzt einen generellen Einfuhrzoll auf Waren aus China von 60% und aus dem Rest der Welt von 20% auf den Tisch gebracht. Obschon wir nicht erwarten, dass ein Zollregime in dieser Grössenordnung eingeführt wird, dürfte der US-Industriesektor grundsätzlich von einer Erhöhung der Einfuhrzölle und dem entsprechenden Schutz vor internationaler Konkurrenz profitieren.
Europäische Union
Auch ohne massiv höhere US-Zölle sieht sich Europa bereits mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehören die schwierige politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland, insbesondere in der deutschen Automobilindustrie, sowie die Sorge um die konjunkturelle Situation in China, einem wesentlichen Wachstumsmarkt für zahlreiche europäische Unternehmen, vor allem im Konsumgüterbereich. Sollten deutlich höhere US-Zölle für Europa kommen, würde dies in erster Linie Unternehmen treffen, welche über nur geringe Produktionskapazitäten in den USA verfügen oder hohe Exporte aus chinesischer Produktion direkt in die USA aufweisen.
China
Höhere Importzölle auf chinesische Einfuhren sind mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Ob sie tatsächlich flächendeckend in der im Wahlkampf propagierten Grössenordnung von 60% ausfallen werden, bezweifeln wir allerdings. Dennoch treffen sie den chinesischen Aktienmarkt empfindlich. Es ist deshalb zu erwarten, dass Peking mit noch grösserer geld- und fiskalpolitischer Unterstützung reagieren wird, um die Inlandsnachfrage anzukurbeln und den Zollschock mindestens etwas abzufedern.
Ausblick bleibt insgesamt intakt
Insgesamt bleiben wir zuversichtlich für Aktien. Sinkende Zinsen bleiben der wichtigste Renditetreiber. Mit Blick auf die unklare Entwicklung in der Zollfrage gilt es, die Diversifikation über die verschiedenen Regionen zu stärken und regionale Umschichtungen zu erwägen, sobald mehr Klarheit herrscht.
Andrej Franz
Anlagespezialist
Alternative Anlagen
Seitwärts-Tendenz bei Öl und Gold
Die Präsidentschaft Trumps wirkt sich auch auf die Alternativen Anlagen aus. Der Seitwärtskanal bei den Ölnotierungen bleibt gut abgesichert, während der Goldpreis nicht mehr zur Rekordmarke von Ende Oktober zurückkehren wird.
In Sachen Klima- und Umweltschutz zeichnen sich bereits erste Konturen von Donald Trumps Regierungsprogramm ab. So ist etwa davon auszugehen, dass die USA unter Trump erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten werden. Zur Erinnerung: Die Vereinigten Staaten traten in der ersten Amtszeit des Republikaners bereits einmal vom Abkommen zurück, bevor unter der Administration Biden sozusagen der Rücktritt vom Rücktritt erfolgte und sie wieder Teil des internationalen Vereinbarungsrahmens wurden. Neu droht in der bevorstehenden Amtszeit Trumps zudem der amerikanische Ausstieg aus der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Die USA nähmen dann für mindestens vier Jahren nicht mehr an globalen Klimaverhandlungen teil und fielen als entscheidender UNFCCC-Geldgeber weg.
Ein Spiegel der Weltwirtschaft
Doch auch innenpolitisch dürfte für die erneuerbaren Energien in der Präsidentschaft Trumps ein rauer Gegenwind aufkommen. Nicht auf Elektromobilität, alternative Energieerzeugung oder Dekarbonisierung wird der Republikaner seinen Fokus legen, sondern auf das weitere Vorantreiben der amerikanischen Energieunabhängigkeit. In letzter Konsequenz bedeutet dies eine wieder stärkere Hinwendung zu konventionellen, fossilen Energieformen.
Dies hat auch Auswirkungen auf das Anlageumfeld. Setzt Donald Trump seine Energiepolitik wie erwartet um, wird dies das Preispotenzial beim amerikanischen Rohöl (WTI) nahe beim aktuellen Niveau limitieren. Weil die USA in diesem Fall aber auch als Käufer auf dem internationalen Ölmarkt (weiter) an Bedeutung verlieren, sind auch allfälligen Preisanstiegen beim europäischen Öl (Brent) enge Grenzen gesetzt, zumal die Konjunkturentwicklung in Europa nicht für einen nachfrageseitigen Rückenwind spricht. Obschon der Krieg in der Ukraine sowie im Nahen und Mittleren Osten andauert, sehen wir unsere Prognose von grundsätzlich seitwärts tendierender Ölpreise weiterhin gut unterstützt.
Mehr Gegenwind für Gold
Trotz der jüngsten Korrektur sehen wir den Goldpreis vorerst noch relativ gut abgestützt. Zins- und Inflationsüberlegungen halten sich vorerst die Waage, sodass insgesamt eine Seitwärtsbewegung angezeigt ist. Diese schliesst aber – je nach «News Flow» grössere kurzfristige Schwankungen nicht aus.
Santosh Brivio
Senior Economist
Unsere Positionierung
Keine Veränderung der Allokation
Im Monat der Wiederwahl Trumps im Weissen Haus warten wir auf eine Beruhigung der Finanzmärkte und nehmen keine Veränderung der neutralen Allokation vor.
Der Sieg Trumps löste eine euphorische Reaktion am US-Aktienmarkt aus und der Dollar wertete gegenüber den meistens Währungen auf. Gleichzeitig schossen die Kurse von Kryptowährungen durch die Decke. Unseren mittelfristigen Ausblick ändert die Wahl Donald Trumps allerdings nur wenig. Wir halten an unserer leicht zyklischen Allokation fest.
Aktien
übergewichtet
Der US-Aktienmarkt legte infolge des Wahlsiegs von Donald Trump deutlich zu. Vorsichtiger war die Reaktion der Aktienmärkte anderer Industrieländer, da sie Auswirkungen der von Trump während der Wahlkampagne versprochenen Zölle auf das Wirtschaftswachstum befürchten. Generell bleibt das Umfeld für Aktien vor dem Hintergrund sinkender Zinsen, leicht erhöhter Inflation und der Erwartung einer sanften Landung in den USA positiv.
Obligationen
leicht untergewichtet
Die Beschleunigung der weltweiten Disinflation ermöglicht es den Zentralbanken, die Leitzinsen rascher zu senken als noch vor ein paar Monaten erwartet. Zwar sorgen geopolitische Faktoren immer noch für kurzfristige Renditeanstiege, aber generell verlieren Obligationen aufgrund des sinkenden Zinsniveaus etwas an Attraktivität.
Alternative Anlage
neutral gewichtet
Das sinkende Zinsniveau in Kombination mit der tiefen Baudynamik und der nach wie vor robusten Nachfrage dürfte dem hiesigen Immobilienmarkt Unterstützung bieten: Eine Kehrtwende bei den steigenden Wohnimmobilienpreisen in der Schweiz zeichnet sich nicht ab. Nach Erreichen eines neuen Allzeithochs konsolidiert Gold auf einem hohen Niveau.
Valentino Guggia
Economist
Fokusthema
Trump: Einfluss auf Schweizer Aktien
Für Schweizer Unternehmen sind die USA mit einem jährlichen Exportwert von 56 Milliarden Franken der wertmässig wichtigste Absatzmarkt. Müssen Anleger und Anlegerinnen nach dem Wahlsieg Trumps und seinen protektionistischen Plänen ihre Portfolios überdenken?
Die Wahl von Donald Trump wirft für Schweizer Unternehmen viele Fragen auf. Einerseits freuen sie sich auf eine wirtschaftsfreundliche Politik mit Deregulierung und tieferen Unternehmenssteuern in den USA. Andererseits bereiten ihnen die geplanten Einfuhrzölle auf die Exporte grosse Sorgen. Die Schweiz ist ein Exportland, das jeden zweiten Franken im Ausland verdient. In einer Welt, in der die Handelspolitik immer protektionistischer wird, ist es für Schweizer Unternehmen unerlässlich, sich über ihre Exporte Gedanken zu machen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass Zölle in Zukunft eine grössere Rolle spielen werden, welche Aktien von Schweizer Unternehmen sind dann besonders gut positioniert und welche würden eher darunter leiden.
Viel wichtiger als die Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, ist die Präsenz der Schweizer Unternehmen in den USA. Zölle waren bereits in der letzten Amtszeit Trumps ein grosses Thema, und seit dem Handelskrieg mit China haben sich viele Schweizer Unternehmen für eine Präsenz mit Produktion in den USA entschieden. Mit rund 300 Milliarden Direktinvestitionen ist die Schweiz der siebtgrösste ausländische Investor. Mit einer Niederlassung in den USA können Schweizer Unternehmen nicht nur Zölle umgehen, sondern auch von den im Vergleich zu Europa deutlich besseren Wachstumschancen und niedrigeren Unternehmenssteuern profitieren. Dazu gehören Schweizer Unternehmen wie ABB, die ihre Werke in den USA ausbaut, oder der Zementproduzent Holcim, der nächstes Jahr sein US-Dachgeschäft an die Börse bringen will. Während Schweizer Industriewerte mit Präsenz in den USA vom Wirtschaftswachstum und der politisch gewollten Reindustrialisierung profitieren, begünstigen die Deregulierungspläne Trumps Schweizer Finanzwerte wie Swissquote und Partners Group.
Kleine und mittlere Schweizer Unternehmen (KMU) mit einem hohen Exportanteil, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, werden Schwierigkeiten haben, eine Niederlassung mit Produktion in den USA zu eröffnen. Sie dürften am stärksten unter den geplanten Einfuhrzöllen leiden. Auch Unternehmen mit einem hohen Produktionsanteil in China, wie z.B. Logitech, werden benachteiligt, da sie mit einer Produktion in China vermutlich mit besonders hohen Zöllen belastet werden. Auch für den Logistiker Kühne und Nagel könnte die zweite Amtszeit Trumps schwierig werden, da das neue Zollregime die geopolitischen Konflikte verschärfen und Lieferketten verändern dürfte. Die ersten Börsenreaktionen einiger Schweizer Aktientitel haben uns die Chancen und Befürchtungen von Trump schon aufgezeigt.
Andrea Bally
Anlagespezialistin
Unsere Prognosen
Deutliche Impulse bleiben aus
Konjunktur
Die Schweizer Konjunktur hält sich robust und steuert auf ein solides Jahreswachstum zu. In den USA sind die Rezessionssorgen vorderhand endgültig vom Tisch und der Wirtschaftsmotor läuft auf beachtlicher Tourenzahl. Hingegen bleibt die Erholung in der Eurozone anfällig und durch erhöhte Abwärtsrisiken geprägt.
Inflation
Weltweit zeigt die Inflation nach unten. In den USA bleibt sie noch für längere Zeit in überschiessendem Terrain, während die aktuellen Teuerungsraten in der Eurozone ein Zwischentief markieren dürften. Auslaufende Basiseffekte sorgen spätestens im vierten Quartal wieder für erhöhten Preisauftrieb. In der Schweiz ist die Preisstabilität zurzeit nicht in Gefahr.
Zinsen
Die SNB wird den Leitzins bis zum Sommer noch zwei Mal senken. Die EZB hat das Tempo erhöht und wird innerhalb der nächsten 12 Monate den Leitzins auf das neutrale Niveau bringen. Der Fed-Kurs wird vorsichtiger aufgrund der robusten Wirtschaft und der möglichen Entstehung inflationären Drucks aus dem Wirtschaftsprogramm Trumps.
An den ausländischen Kapitalmärkten bleibt das hohe Zinsniveau bestehen. Das Anstiegspotenzial in der Schweiz ist sehr begrenzt.
Währungen
Die Frankenbewegungen bleiben überschaubar. Das gilt sowohl gegenüber des Greenbacks wie auch des Euros. Für beide Währungspaare erwarten wir eine relativ enge Handelsspanne.
Santosh Brivio
Senior Economist
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