Der Opec-Entscheid, die Ölfördermenge um täglich zwei Millionen Fass zu kürzen, ist ein zusätzliches Hindernis für Politik und Wirtschaft. Gleichzeitig verschärft das Kartell damit den anhaltend hohen Inflationsdruck und erhöht die bereits beträchtlichen Rezessionsrisiken.
Es ist eine eigentliche Watsche in alle Richtungen, die am Mittwoch, 5. Oktober, in Wien ausgeteilt wurde. Die Opec-Staaten plus Russland entschieden sich, die Ölfördermenge um zwei Millionen Fass zu drosseln und so dem physischen Ölmarkt bis zu zwei Prozent der Gesamtnachfrage zu entziehen. Das Kartell demonstriert damit einerseits Einigkeit und desavouiert andererseits gleich reihenweise Vertreter aus Politik und Wirtschaft.
Es gibt viele Verlierer
So ist der Opec-Entscheid eine Watsche für die Zentralbanken, die im Kampf gegen die grassierende Inflation die Zinshebel immer stärker in Bewegungen setzen. Das Kartell führt ihnen letztlich eine gewisse Ohnmacht vor Augen: Zwar lassen sich mit den aggressiven Zinserhöhungen die nachfrageseitigen Inflationstreiber in die Schranken verweisen. Gegen angebotsseitige Preisschocks aufgrund künstlich herbeigeführter Angebotsverknappung oder sonstigen marktexternen Ereignissen sind aber auch die Zentralbanken so gut wie machtlos. Dies trifft insbesondere auf die Europäische Zentralbank zu, da die galoppierenden Eurozone-Inflation (im Gegensatz zu den USA) kaum auf Zweitrundeneffekte zurückzuführen ist.
Es ist eine Watsche für jene Regierungen, die mit umfangreichen Fiskalpaketen den Kaufkraftverlust der Konsumenten zu mindern versuchen. Deckeln sie neben den Gas- und Elektrizitätspreisen auch die Benzin- und Ölpreise, wird dies zu einer immer grösseren Belastung für die Staatskassen, da sich die Differenz zwischen den für angemessen erachteten Konsumentenpreisen und den Marktpreisen ausweiten dürfte. Denn damit die von den G-7-Staaten beschlossene Preisgrenze für russisches Öl nicht ins Leere zielt, müsste Russland über möglichst wenig Export-Alternativen verfügen. Mit der nun herbeigeführten Angebotsverknappung steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass grosse Abnehmer wie China oder Indien zur Versorgungsgewährleistung auch einen höheren Marktpreis bezahlen und Russland somit seinen Ölabsatz bei einem von ihm angestrebten Preisniveau aufrechterhalten kann.
Es ist eine Watsche für die internationale Politik bei ihrem Versuch, Russland stärker zu isolieren und dessen weltwirtschaftliches Gewicht zu verringern. Allen voran schmerzt dies Joe Biden. Für den US-Präsidenten kommt eine Verteuerung der Spritpreise angesichts der nahenden Zwischenwahlen im November zur absoluten Unzeit. Denn im Auto-Land USA hängt die Konsumentenstimmung – und damit wohl auch die Wählerzufriedenheit – stark mit dem Zapfsäulenpreis zusammen. Mehr noch: Die Republikaner werden es politisch auszuschlachten wissen, dass Bidens Juli-Besuch im wichtigsten Opec-Land Saudiarabien offensichtlich eine vergebliche Liebesmühe war.
Es ist eine Watsche für alle anderen Staatschefs, die sich in Riad die Klinke in die Hand gaben. So versuchten unter anderem auch Emmanuel Macron oder Olaf Scholz in Saudiarabien, die Opec zu einer Produktionsausweitung zu bewegen. Der Schuss ging gänzlich nach hinten los: Zum einen besass das Kartell den Schneid, den russischen Energieminister Alexander Nowak nach Wien einzuladen, der in der Folge ungeachtet aller Sanktionen europäischen Boden betrat. Zum anderen leistet die Opec dem geschmähten Russland massive Schützenhilfe bei dessen Bestreben, das Sanktionsregime des Westens zu unterlaufen.
Russland kämpft an vielen Fronten
Bei so vielen Watschen ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Eines zeigt jedoch der Opec-Entscheid in aller Deutlichkeit: Öl ist weiterhin das Schmiermittel der globalen Wirtschaft. Wer die (Preis-) Kontrolle darüber hat, verfügt auch im Zeitalter der oft zitierten Energiewende weiterhin über einen sehr wirksamen Hebel im internationalen Gefüge. Dies gilt insbesondere in einem Umfeld, in dem die Inflationsbekämpfung die oberste Maxime von Regierungen und Zentralbanken geworden ist.
Waldimir Putin hat dies begriffen. Insofern ist die Förderdrosselung nur eine weitere Bestätigung dafür, dass Russlands Feldzug schon längst nicht nur militärisch stattfindet, sondern auch als eigentlicher Wirtschaftskrieg geführt wird. Mit der Opec hat Moskau hierfür einen mächtigen Verbündeten an seiner Seite. Für die bereits verdüsterte Weltwirtschaftslage bedeutet das eine weitere Eintrübung.