Die Schweizer Wirtschaft wird aufgrund der Corona-Krise eine scharfe Rezession durchlaufen. Solange die Pandemie nicht nachhaltig eingedämmt ist, «fahren Unternehmen auf Sicht», sagt Bernd Geisenberger, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Firmenkunden der Migros Bank. Schweizer Unternehmen seien indes sehr innovativ, kosteneffizient und gut aufgestellt. Solche Tugenden helfen in der Wirtschaftskrise.
Herr Geisenberger, im März tauchten die ersten Covid-19-Fälle in der Schweiz auf. Hätten Sie damals gedacht, dass die Corona-Krise die Schweizer Wirtschaft so stark treffen wird?
Als wir sehr kurzfristig und konsequent Massnahmen zum Gesundheitsschutz unserer Kunden und Mitarbeitenden treffen mussten, war rasch klar, dass Covid-19 auch das Wirtschaftsleben bedroht. Aber eine derartige Vollbremsung haben wir nicht erwartet. Die Krise trifft die international breit und damit eigentlich risikodiversifiziert aufgestellten Schweizer Unternehmen durch den globalen Einschlag gleich doppelt.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?
Die Unternehmen haben sehr zügig betriebswirtschaftliche Krisenmechanismen etabliert und wirkungsvoll umgesetzt. Die Schwierigkeit besteht in der Unsicherheit bezüglich der Dauer des Lockdowns bzw. des Hochfahrens und im hochemotionalen Spannungsfeld zwischen Gesundheitsschutz und Existenzsicherung für Unternehmer und Mitarbeitende. Solange es keinen Impfstoff gibt oder das Virus nicht verschwindet, fahren wir auf unbestimmte Zeit auf Sicht. «Trial and Error» wird zum Tagesgeschäft.
Kann sich ein Unternehmen auf Ereignisse wie die Corona-Krise überhaupt vorbereiten?
Auf einen radikalen Strukturbruch kann man sich nicht vorbereiten. Krisenpläne und Sofortmassnahmen sorgen aber für eine gewisse Beruhigung und Reaktionszeit, um den eigenen Weg durch die Krise zu finden.
Viele Unternehmen haben sich sehr schnell angepasst und ihr Geschäftsmodell auf neue Absatzkanäle ausgeweitet. Wieso braucht es oftmals eine Krise, damit Unternehmer ihr Geschäftsmodell anpassen bzw. hinterfragen?
In Krisensituationen stehen alle unter einem immensen Handlungsdruck. Es wird auf Kernkompetenzen und -tätigkeiten fokussiert. Entscheidungen werden zügig getroffen, die Umsetzung mit klaren Prioritäten konsequent vorangetrieben. Schweizer Unternehmen müssen von jeher permanent innovativ und kosteneffizient arbeiten, erinnern wir uns an den Frankenschock 2015. Das bedeutet, sie tun es, weil sie es aufgrund ihrer Innovationskraft und der Unternehmenskultur können. Diese Tugenden helfen jetzt auch.
Liquiditätssicherung steht für viele Unternehmen nun an erster Stelle. Welche Unterstützung kann die Migros Bank bieten?
Zunächst die Teilnahme an den Covid-19-Kreditprogrammen des Bundes. Wir haben in den ersten drei Wochen nach Start der Covid-19-Initiative rund 2000 Kredite ausbezahlt. Zudem beteiligen wir uns an kantonalen Unterstützungsprogrammen.
Leistet die Migros Bank zusätzliche Unterstützung, wenn notwendig?
Ja, die Migros Bank steht zu ihren Kunden. Im kurzfristigen Finanzierungsbereich halten wir, wo immer möglich, Kreditlinien offen und verzichten trotz Verschlechterung der Bonitäten auf die eigentlich notwendigen risikobasierten Preiserhöhungen. Zudem prüfen wir kundenindividuell die zeitweilige Sistierung von Amortisationen bei Hypothekar- und Investitionsfinanzierungen sowie Leasing. Wir verlängern systematisch Kreditengagements vorzeitig, um Planungssicherheit zu schaffen.
Wie wichtig ist eine gründliche Liquiditätsplanung für Unternehmen, und wie kann die Hausbank dabei behilflich sein?
Das Bundesprogramm ist auf eine Deckung von Fixkosten für drei Monate ausgelegt. Eine konsequente Liquiditätsplanung hilft uns, mit Kunden finanzielle Massnahmen zu entwickeln, die das Unternehmen über das dritte und vierte Quartal 2020 bringen. In der Krise gilt: Cash ist Trumpf.
Hat die Migros Bank weitere Initiativen gestartet, um Unternehmen Hilfestellung leisten zu können?
Über unser Partnerunternehmen CSL Immobilien AG haben wir die Beratung unserer Immobilienkunden intensiviert: Verkauf und Vermietung von Wohn- und Gewerbeflächen sind anspruchsvoller geworden. Für neue Projekte sind oftmals Nutzungs- und Planänderungen notwendig. Ein professionelles, systematisches Baukostenmanagement ist extrem wichtig. Zudem unterstützen wir exklusiv den «KMU Checkpoint» von BAK Economics, der speziell kleinen Unternehmen eine qualifizierte, kostenlose Beratung anbietet, um die Krise erfolgreich zu bewältigen.
Ratingagenturen warnen, dass die Unternehmenskreditausfälle in Europa stark steigen dürften. Trifft das auch auf die Schweiz zu? Bereitet Ihnen diese Aussicht Sorgen?
Aufgrund des massiven Konjunktureinbruchs erwarten wir ab dem dritten Quartal 2020 Kreditausfälle. Die gegenwärtige Situation wird uns im Risikomanagement wohl mindestens bis Ende 2021 beschäftigen. Aber in solch herausfordernden Zeiten ist dies eine natürliche Aufgabe der Bank.
Wie gross sind die Firmenkunden der Migros Bank in der Regel?
Wir betreuen schweizweit rund 7000 Firmenkunden. Bei den Immobilienkunden liegt der Median bei Projekten mit etwa 20 Wohneinheiten. Im produzierenden Gewerbe liegt die Bandbreite an Umsatz (vor Covid-19-Effekten) bei 5 bis 250 Mio. Franken.
Die Digitalisierung steht bei vielen kleineren Unternehmen oftmals nicht an erster Stelle. Wird der Transformationsprozess nun Tempo aufnehmen?
Die intensive Nutzung von Home-Office und Videokonferenz-Tools sowie die kurzfristige Umsetzung von E-Commerce-Applikationen vieler Unternehmen zeigen, dass wir schon dabei sind, in der digitalen Welt anzukommen. Das wird in der Nach-Covid-19-Phase den Standard, wie wir arbeiten, kommunizieren und geschäften, nachhaltig verändern.
In Zeiten wie jetzt hört man immer wieder den Spruch «Jede Krise ist auch eine Chance». Wie sehen Sie das?
Ich bin kein Freund solcher Sinnsprüche. Aktuell haben wir eine Situation, in der Unternehmer neben gesundheitlichen Unsicherheiten echte Existenzängste durchleben. Persönlich blicke ich immer nach vorn: Was muss jetzt getan werden bzw. was können wir als Nächstes tun?
Sie sind seit gut eineinhalb Jahren bei der Migros Bank. Wie lautet Ihre Bilanz? In welche Richtung möchten Sie das Firmenkundengeschäft weiterentwickeln?
Die Ergebnisse 2019 waren gut. Wir sind im Hypothekarvolumen um 3,6 Prozent und im Leasingvolumen sowie im Bereich Strukturierte Finanzierung (inklusive des Konsortialgeschäfts) jeweils um 25 Prozent gewachsen. Parallel haben wir intensiv an unserer Aufstellung und der Effizienz gearbeitet. Wir verfügen über ein stabiles Fundament. Aktuell beschäftigen wir uns damit, wie wir unsere Kunden 2020 und 2021 finanziell begleiten können und was wir daraus an Impulsen für den weiteren Ausbau unseres Firmenkundenangebots lernen können.
Angenommen, wir unterhalten uns in einem Jahr erneut. Um welche Themen und Trends wird sich unser Gespräch drehen?
Um die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Unternehmen in der Schweiz, den Stand der Digitalisierung und die Intensität der Beziehung zwischen Bank und Kunde.
Vielen Dank für die „Schöggeli „ 😊
Guten Tag
Wir geben den Dank gerne an Sie zurück: merci vielmals für Ihre lange Kundentreue! Mit dieser süssen Aufmerksamkeit möchten wir uns dafür ganz herzlich bedanken.
Freundliche Grüsse, Ihre Migros Bank