Der Konflikt in der Ukraine erschwert die Prognosen für die Finanzmärkte erheblich. Eines ist jedoch absehbar: Die langfristigen Franken-Zinsen werden nicht so bald wieder in den negativen Bereich sinken.
Der Anleihenmarkt hat in den letzten Wochen eine wahre Achterbahnfahrt erlebt. Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine waren Anleihen zunächst stark gesucht. Kurz darauf setzte jedoch eine Verkaufswelle ein, welche die Renditen in die Höhe trieb. Anleihen mit langer Restlaufzeit oder mit Bezug zur Konfliktregion büssten am stärksten an Wert ein. Die Liquidität war zeitweise eingeschränkt, der Handel geriet ins Stocken.

Grund dafür ist der Energiepreisschock. Im Zuge der Ukraine-Krise sind die Rohstoffpreise nochmals stark gestiegen. Rohöl der Sorte Brent hat sich auf 120 Dollar verteuert, was einer Verdoppelung im Jahresvergleich entspricht. In Europa hat sich der Erdgaspreis innert Jahresfrist sogar versechsfacht. Insbesondere in der Eurozone und in den USA hatte die Teuerung bereits während der Pandemie kräftig angezogen – unter anderem weil das veränderte Konsumverhalten und der (zu) grosse Fiskalstimulus der US-Regierung einen massiven Anstieg der Nachfrage nach Waren und damit auch Lieferprobleme zur Folge hatten.
Langfristige Zinsen gut abgestützt
Ein rascher Rückgang der Rohstoffpreise auf Vorkrisenniveau ist selbst bei einer baldigen Verhandlungslösung der Kriegsparteien nicht zu erwarten, weil Russland politisch isoliert ist. Es ist deshalb absehbar, dass die Inflationsraten über das gesamte Jahr deutlich höher notieren werden als zunächst prognostiziert: In der Eurozone im Durchschnitt über 5 Prozent, in der Schweiz zwischen 2 und 2,5 Prozent.

2023 dürfte der Teuerungsdruck zwar wieder spürbar nachlassen. Eine Rückkehr der Schweizer Inflationsrate auf die Null-Linie – wo sie zuvor während zehn Jahren seitwärts tendierte – ist jedoch nicht zu erwarten. Die langfristigen Franken-Renditen sind auf dem aktuellen Niveau deshalb relativ gut abgestützt. Sie haben aber nur ein moderates zusätzliches Aufwärtspotenzial, denn die Aussicht auf eine etwas höhere langfristige Teuerung und auf eine geldpolitische Straffung haben sie mit ihrem jüngsten Anstieg schon weitgehend vorweggenommen. In den kurzen Laufzeiten werden die Renditen stärker steigen, denn die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird den Leitzins voraussichtlich anheben.
Maximaler Anstieg des SNB-Leitzinses bis auf 0,25 Prozent
Angesichts der stetig steigenden Teuerungsraten werden die Notenbanken ihre Geldpolitik straffen müssen. Einige von Ihnen haben schon zu Jahresbeginn erste Leitzinserhöhungen vorgenommen, die US-Notenbank Fed ist ihnen im März gefolgt. Das Fed signalisiert einen rigiden Straffungskurs. Der US-Leitzins dürfte dieses Jahr rund 2 Prozentpunkte steigen.
Nicht ganz so steil nach oben geht es mit dem Leitzins in der Schweiz. Die SNB wird der Europäischen Zentralbank (EZB) voraussichtlich zwar folgen und die Negativzinsen schrittweise beenden. Sie wird den Leitzins aber wohl nur bis maximal 0,25 Prozent anheben. Angesichts der absehbaren Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und des vergleichsweise geringen Inflationsdrucks dürfte die SNB den Straffungszyklus bald wieder beenden. Spätestens Mitte 2023 sollte aber die gesamte Franken-Zinskurve zumindest wieder im positiven Bereich notieren.
