Rohstoffpreise korrelieren erheblich mit dem globalen Konjunkturverlauf. Insbesondere die Metallnotierungen reagieren sehr sensitiv auf Veränderungen im Weltwirtschaftsklima.
Rund ein Viertel der globalen Warenexporte entfallen auf Rohstoffe. Sie gelten daher als guter Gradmesser für das Weltwirtschaftsklima. Bei einem wachsenden Welthandel steigen die Rohstoffnotierungen tendenziell. Das Gleiche gilt im Umkehrschluss: Eine schwache Konjunktur aufgrund gedämpfter Investitionen und Konsumausgaben führt zu einer sinkenden Nachfrage nach Rohstoffen, was sich in tieferen Rohstoffpreisen spiegelt. Die Metallpreise wiederum haben sich in einer Langzeitbetrachtung als besonders empfindlich gegenüber Veränderungen der globalen Wirtschaftslage erwiesen.
Breites Anwendungsspektrum
Insbesondere Kupfer ist ein Basismetall, dessen vielseitige Anwendungen in den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen genutzt werden. Der International Copper Study Group (ICSG) zufolge sind die Bereiche Ausrüstung (31 Prozent), Bau (29 Prozent), Infrastruktur (16 Prozent), Verkehr (13 Prozent) und Industrie (11 Prozent) die wichtigsten Abnehmerbranchen. Aufgrund seiner Duktilität (die Eigenschaft, sich unter Druck biegsam verformen zu lassen) sowie seiner elektrischen und thermischen Leitfähigkeit wird Kupfer unter anderem häufig bei der Herstellung von elektrischen Leitern, Schaltern und Transformatoren eingesetzt. Dies umfasst dank der breiten Verfügbarkeit und aussergewöhnlichen Leitfähigkeit unter anderem Konsumgüter, Automobile bis hin zu Halbleitern. Die natürliche Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse und Bodenkorrosion macht Kupfer auch zu einem idealen Werkstoff für die Herstellung von Dach- und Sanitäranwendungen.
Wegen des breiten Anwendungsspektrums ist der Kupferpreis ein viel beachteter Indikator für die Weltwirtschaftslage und die Wendungen des Konjunkturzyklus. Ökonomen und Analysten verwenden daher auch oft den Begriff «Doktor Kupfer», wenn sie anhand des Kupferpreises den Gesundheitszustand der Weltwirtschaft beurteilen. Im Allgemeinen deuten steigende Kupferpreise auf eine starke Kupfernachfrage und damit auf eine wachsende Weltwirtschaft hin, während sinkende Kupferpreise auf eine schleppende Nachfrage und eine bevorstehende Konjunkturabschwächung hinweisen können. Da Metallpreise – im Gegensatz zu anderen Indikatoren – mit hoher Frequenz und in Echtzeit verfügbar sind, eignen sie sich vor allem als Barometer für kurzfristige Bewegungen des weltweiten Wirtschaftswachstums.
Chinas besondere Rolle
Es gibt noch einen weiteren Zusammenhang zwischen Kupfer und den globalen Wirtschaftsaussichten. Da China, eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften, jährlich fast 50 Prozent des weltweit geförderten Kupfererzes verbraucht, korrelieren die Kupferpreise erheblich mit dem chinesischen Wirtschaftswachstum (siehe Grafik). Seit Januar beispielsweise ziehen die Kupferpreise wieder an, nachdem die chinesische Regierung beschlossen hat, mit neuen Infrastrukturprojekten und anderen Stützungsmassnahmen der schwächelnden Volkswirtschaft im Reich der Mitte unter die Arme zu greifen. Somit scheinen die aufwärts gerichteten Kupferpreise zu signalisieren, dass sich die chinesische Wirtschaft dank der konjunkturstimulierenden Hilfspakete erholen wird – und damit letztlich auch der sich gegenwärtig eintrübenden Weltwirtschaft frische Impulse zuführen könnten.
Kupfer und China hängen eng zusammen
Ganz allgemein ist das fernöstliche Riesenreich für gut die Hälfte der weltweiten Nachfrage nach Stahl, Nickel, Kupfer und Aluminium verantwortlich. Gleichzeitig ist die Volksrepublik auch der weltgrösste Aluminiumproduzent und der drittgrösste für Kupfer (nach Chile und Peru). Chinas Wirtschaft hat also generell einen sehr starken Einfluss auf die Metallpreise.
Kupferminenproduktion nach Land (Stand 2017)
(in Tausend metrischen Tonnen)

Zweite «Meinung» einholen
Wer die Weltwirtschaft genau verfolgt, kann also nicht ignorieren, was «Doctor Copper» sagt. Sich ausschliesslich auf ihn zu verlassen, ist allerdings nicht ratsam. Denn die Rohstoffpreise werden durch mehrere Faktoren bestimmt – und nicht alle basieren allein auf der Nachfrage. So kann beispielsweise ein Produktionsausfall oder eine Störung der Versorgungskette das Kupferangebot reduzieren und die Preise trotz eines schwachen Wirtschaftswachstums nach oben treiben. Umgekehrt könnte jede Angebotsschwemme trotz guter Nachfrage die Kupferpreise belasten. Länderspezifische Faktoren können den Preis ebenfalls beeinflussen, das gilt insbesondere im Falle von China.
Die US-Währung wiederum übt ebenfalls einen erheblichen Einfluss aus. Rohstoffe werden üblicherweise in Dollar gehandelt, aber der überwiegende Teil der Produktion und des Verbrauchs erfolgt ausserhalb der Vereinigten Staaten. Daher weisen der Kupfer- und die Rohstoffpreise eine inverse Korrelation zum Dollar auf: Steigt der Greenback, fallen in der Regel die Rohstoff- und Metallpreise – und umgekehrt. Im Weiteren spiegeln sich die Schwankungen der Rohwarenpreise in etlichen lateinamerikanischen Währungen bzw. im australischen oder im kanadischen Dollar, da diese Länder zu den wichtigsten Rohstoffproduzenten zählen. Neigen die Rohstoffpreise zur Schwäche, geben in der Regel auch die Währungen dieser Länder nach.
Zieht man all diese Faktoren in Betracht, so deutet die jüngste Entwicklung des Kupferpreises darauf hin, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft nicht noch weiter abschwächt. Der Kupferpreis hat knapp die Hälfte seiner Kursverluste seit Mitte 2018 wieder wettgemacht. Auch die Währungen rohstoffproduzierender Länder haben sich stabilisiert. Eine allzu starke Verbesserung der globalen Nachfrage ist indessen nicht zu erwarten. Die Hoffnungen beruhen in erster Linie auf neuen Unterstützungsmassnahmen der chinesischen Regierung und auf einer baldigen Beilegung des Handelsstreits zwischen China und den USA.