Wann endlich profitieren die Mieter von den tiefen Zinsen?

Viele Mieter sind unzufrieden. Trotz der rekordtiefen Hypozinsen bezahlen sie immer höhere Mieten. Doch nun hat dieser Trend gedreht. Grund dafür ist der starke Bauboom. Dieser schafft allerdings wieder neue Probleme.

Die Mieter haben von den günstigen Zinsen nichts gespürt – bis jetzt zumindest. Seit 2008 hat sich der durchschnittliche Zinssatz für Hypotheken von 3,5 auf unter 1,7 Prozent halbiert. Trotzdem sind die Preise bei den neu abgeschlossenen Mieten um 17 Prozent gestiegen, bei den bestehenden Mietverhältnissen um immerhin 9 Prozent. Dagegen ist der Landesindex der Konsumentenpreise seit 2008 um 2 Prozent gesunken.

Dass unter den Mietern der Unmut wächst, ist also verständlich.

Zumal der Preisauftrieb nun schon über viele Jahre anhält, wie die Grafik verdeutlicht: Seit 2000 bezahlen Neumieter sogar über 50 Prozent mehr, während das allgemeine Preisniveau nur um 7 Prozent gestiegen ist.

Mietwohnungen werden ständig teurer
So haben sich die Angebotsmieten (für Neumieter), die Bestandesmieten (für bereits abgeschlossene Mietverträge) und der Teuerungsindex entwickelt. (Daten: BfS, Wüest & Partner)

Die Mieter müssen deshalb einen immer grösseren Teil ihres Budgets fürs Wohnen reservieren. Die nachfolgende Darstellung zeigt die Kostenentwicklung aufgeschlüsselt nach Einkommensklassen. Haushalte mit einem monatlichen Verdienst zwischen 6000 und 8000 Franken geben im Schnitt 20,4 Prozent ihres Geldes für die Miete aus. Im Jahr 2000 lag dieser Anteil erst bei 16,9 Prozent. Bei der nächsttieferen Einkommensgruppe sind die Kosten fürs Wohnen von 21,6 auf 24,9 Prozent gestiegen.

Die Miete belastet das Budget mehr als früher
Durchschnittliche Brutto-Mietbelastung nach Einkommensklassen (Daten: BWO)
Durchschnittliche Brutto-Mietbelastung nach Einkommensklassen
(Daten: BWO)

Doch nun gibt es erstmals positive Neuigkeiten für Mieter.

Wie bereits im Sommer 2015 auf diesem Blog vorausgesagt, sind die Preise seit kurzem ins Rutschen gekommen – wenn auch vorerst nur für Neumieter. Innert Jahresfrist sank der Preisindex um immerhin 1,6 Prozent. Die Bestandesmieten kletterten zwar noch minim um 0,1 Prozent. Doch erwarten wir für das kommende Jahr eine Senkung des hypothekarischen Referenzzinssatzes von 1,75 auf 1,5 Prozent. Damit hat ein Grossteil der Mieter Anrecht auf eine Preissenkung von 2,9 Prozent.

Freuen können sich die Mieter aber nicht nur über die Preisentwicklung. Auch die Knappheit beim Wohnraum geht sukzessive zurück. Grund dafür ist die intensive Bautätigkeit. Landesweit stehen aktuell rund 160‘000 Mietwohnungen im Angebot, das sind 26 Prozent mehr als vor einem Jahr. Und dieser Anstieg wird weitergehen: Während die Einwanderung und damit das Bevölkerungswachstum zurückgehen, haben die Baubewilligungen einen neuen Höchststand erreicht. Bei den Mietwohnungen hat sich ihre Zahl innert zehn Jahren von 15’000 auf 30’000 verdoppelt. Demgegenüber wurden bei den Eigentumswohnungen nur noch 15’000 Baubewilligungen erteilt, 5000 weniger als im Jahr 2006.

Der Bauboom hat sich also vom Wohneigentum ins Mietsegment verlagert – und damit auch die Gefahr einer Blase.

Ein erstes Warnsignal zeigt sich bei den Leerständen: Gegenwärtig stehen in der Schweiz so viele Mietwohnungen leer wie letztmals im Jahr 1999, nämlich über 45’000 (5000 mehr als im Vorjahr). Bei den Eigentumswohnungen dagegen verharrt die Zahl der leerstehenden Objekte bei 11’000.

Kommt hinzu: Der Bauboom findet meistens nicht in den Zentren statt, wo die grösste Nachfrage besteht, sondern in den peripheren Standorten, welche über freie Landreserven verfügen. Dies verdeutlicht die unten stehende Tabelle mit den Leerstandsquoten. Während im Kanton Zug, in den beiden Basel sowie in Genf der Wohnraum mit einer Quote von unter 0,5 Prozent weiterhin sehr knapp ist, weist Appenzell Innerrhoden mit 3,6 Prozent einen überaus hohen Anteil an leeren Wohnungen auf.

Unter den Städten ist es in Zürich, Lancy, Thun und Lausanne derzeit besonders schwierig, eine freie Wohnung zu finden. Eine hohe Leerstandsquote dagegen findet man in St. Gallen, Uster und Emmen.

Enorme regionale Unterschiede auf dem Immobilienmarkt
Leerstandsquote in % nach KantonenLeerstandsquote in % in den 30 grössten Städten
Zug0.34 Zürich0.22
Basel-Stadt0.42 Lancy0.22
Genf0.45 Thun0.22
Basel-Landschaft0.47 Lausanne0.29
Obwalden0.61 Vernier0.31
Waadt0.81 Yverdon-les-Bains0.39
Zürich0.85 Basel0.40
Schwyz0.93 Kriens0.44
Luzern1.05 Bern0.45
Neuenburg1.15 Zug0.49
Tessin1.21 Genève0.51
Freiburg1.24 Sion0.55
Schweiz1.30 Köniz0.58
Uri1.39 Winterthur0.59
Nidwalden1.39Chur0.72
Graubünden1.53 Dietikon0.81
Schaffhausen1.68 Neuchâtel0.82
Bern1.69 Montreux0.83
Glarus1.69 Fribourg0.87
St. Gallen1.77 Luzern0.96
Thurgau1.80 Dübendorf1.02
Wallis1.81 Frauenfeld1.11
Appenzell A.Rh.1.99 Schaffhausen1.15
Jura2.09 Rapperswil-Jona1.17
Aargau2.18 Lugano1.25
Solothurn2.62 Biel / Bienne1.47
Appenzell I.Rh3.63 La Chaux-de-Fonds1.52
St. Gallen1.94
Uster2.01
Emmen2.03
Quelle: BfS

Nach einer langen Durststrecke zeichnet sich für die Mieter nun eine positive Trendwende ab, sowohl bei den Preisen als auch beim Angebot.

Während sich die Lage in den Zentren allerdings nur leicht entspannt hat, entsteht in manchen Randgebieten bereits ein Überangebot. Ein wichtiger Treiber sind dabei die extrem tiefen Zinsen. Diese haben bei den institutionellen Investoren, also namentlich bei unseren Pensionskassen, zu einem Anlagenotstand geführt. Bei den eidgenössischen Staatsanleihen ist die Rendite bekanntlich negativ. Aus diesem Grund fliesst immer mehr Vorsorgekapital in den Immobilienmarkt. Grossüberbauungen, welche früher als zu riskant oder zu wenig rentabel galten, werden nun plötzlich realisiert – auch an weniger attraktiven Standorten.

Für die Mieter bedeutet die starke Bautätigkeit primär, dass sie von einer grösseren Auswahl und sinkenden Preisen profitieren können. Trotzdem haben auch sie kein Interesse daran, dass sich längerfristig eine neue Blase daraus entwickelt. Denn oftmals steht hinter dem Vermieter eine Pensionskasse. Haben diese das Vorsorgekapital schlecht investiert, so gehören auch die Mieter zu den Leidtragenden.

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3 Kommentare zu Wann endlich profitieren die Mieter von den tiefen Zinsen?

  1. Guten Tag

    «Amortisation der Hypothek»
    Wann empfiehlt es sich, die Hypothek von einem Einfamilienhaus vollständig abzuzahlen?
    Besten Dank für die Antwort im Voraus.

    Freundliche Grüsse
    Hermann Sieber

    1. Guten Tag Herr Sieber
      Die Antwort auf diese Frage ist von vielen Faktoren abhängig: Ist Ihr finanzielles Polster ausreichend, so dass Sie bei einer späteren Renovation nicht auf eine neue Hypothek angewiesen sind? (Gerade im Rentenalter kann dies allenfalls zu unangenehmen Engpässen führen). Wie möchten Sie Ihre freien Mittel investieren? (Aufgrund der tiefen Zinsen bestehen für einen risikoaversen Anleger zurzeit wenig Optionen, was tendenziell eine stärkere Amortisation begünstigt). Wie hoch ist Ihr Grenzsteuersatz? (Bei einer hohen Einkommenssteuer erbringt der Abzug der Hypothekarzinsen bei den Steuern einen grösseren Vorteil). Auch wenn also viele individuelle Kriterien zu berücksichtigen sind, so spricht das aktuelle Umfeld insgesamt eher für eine Amortisation. Freundliche Grüsse, Albert Steck

  2. Es ist etwas gar einfach die Mieter immer als Opfer darzustellen.
    Ich habe vor ein paar Jahren eine Wohnung im Kanton Zug gesucht. Es war gar nicht so schwierig wie man oft meint. Nur eben, habe ich auf einigen Luxus verzichtet. Waschmaschinen, Tumbler etc. in jeder Wohnung ist nicht gratis. Ebenfalls habe ich vor noch gar nicht langer Zeit eine Studie gesehen, dass Mieter oft lieber in eine ganz neue Wohnung einziehen , als in eine 5 Jahre alte Wohnung , auch wenn dies 15 % mehr Miete kostet. Auch muss sich jeder Mieter fragen, muss ich wirklich in einer Zentrumslage wohnen. Beispiel zeigen sie ja selbst, die Stadt Zürich hat sehr wenig freie Wohnungen, aber das nahe Uster mit S-Bahn nach Zürich hat einen relativ hohen Lehrbestand an Wohnungen. Fazit : oft könnte sich der Mieter selber helfen.

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