Der US-Wirtschaftsmotor dreht langsamer. Für das laufende Jahr erwartet die Migros Bank eine weitere Konjunkturabkühlung in den Vereinigten Staaten. Zudem haben die Abwärtsrisiken für den Welthandel im Soge des Corona-Virus zugenommen.
Die US-Wirtschaft wächst weiterhin solid, aber in einem moderaten Tempo. Im Jahresendviertel 2019 expandierte das Bruttoinlandprodukt (BIP) um annualisierte 2,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal und damit gleich schnell wie im vorangegangen Quartal. Für das Kalenderjahr 2019 resultierte ein BIP-Zuwachs von 2,3 Prozent. Es ist das langsamste Wachstum seit 2013.
Die vorläufigen BIP-Zahlen des US-Amts für Wirtschaftsanalyse (Bureau of Economic Analysis) verdeutlichen vor allem Eines: Die US-Volkswirtschaft ist weiterhin stark von den Konsumenten abhängig. Angetrieben wurde der Wirtschaftsmotor im Schlussquartal auch durch die Staatsausgaben und einen kräftigen Rückgang der Importe. Die Exporte und die Wohnungsbauinvestitionen leisteten einen geringen Beitrag, während der Lageraufbau und die Unternehmensinvestitionen einen leichten Rückgang verzeichneten.
Wachstumsbeitrag zum Bruttoinlandprodukt (in Prozentpunkten zum Vorjahr)
Teilweise verzerrt
Unter dem Strich steuerten die Nettoexporte (die Differenz zwischen Exporten und Importen) mit rund 1,5 Prozentpunkten den grössten Beitrag zum BIP-Wachstum seit zehn Jahren bei, da die globale Nachfrage im Jahresendviertel wieder anzog und gleichzeitig die Inlandnachfrage nachliess. Die Exporte stiegen um 1,4 Prozent, während die Importe um 8,7 Prozent fielen. Die Handelsbilanz verbesserte sich dadurch deutlich. Diese Wachstumszahlen dürften jedoch aufgrund der im zweiten Semester 2019 zeitweise eskalierenden Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA verzerrt sein. Importeure haben ihre Einkäufe wohl vielfach um mehrere Monate vorgezogen, um die ursprünglich für Dezember geplanten Zölle zu umgehen.
Die rückläufige Importtätigkeit trug dazu bei, dass sich die Lagerbestände zurückgebildet haben. Die vorläufigen Handelsdaten für Dezember weisen allerdings darauf hin, dass sich dies im laufenden Quartal wahrscheinlich wieder ins Gegenteil verkehren wird. Das Geschäftsklima hat sich zu Jahresbeginn aufgehellt, sodass die Unternehmen ihre Lager voraussichtlich wieder aufstocken.
Derweil erhöhten sich die Staatsausgaben um robuste 2,7 Prozent, verglichen mit einem Anstieg von 1,7 Prozent im dritten Quartal. Damit trugen sie 0,47 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei (nach 0,30 Prozentpunkten im Vorquartal). Die Verteidigungsausgaben zogen um 4,9 Prozent an, während die Ausgaben für Nicht-Verteidigung um 1,6 Prozent kletterten.
Schwächer, aber weiterhin wichtig
Auch wenn der Privatkonsum im Jahresendviertel eine wichtige Wachstumsstütze war, fiel der Zuwachs mit 1,8 Prozent letztlich doch unter den Markterwartungen aus. Für Ernüchterung sorgte insbesondere die Inlandnachfrage. Bereinigt um die Lagerveränderung stieg sie im vierten Quartal lediglich um 1,4 Prozent (+2,3 Prozent im Vorquartal). Dieser Anstieg entspricht dem langsamsten Wachstumstempo seit 2015.
Privatkonsum büsst an Dynamik ein (Annualisiertes Wachstum)
Trotz des geringeren Wachstumstempos dürfte der US-Konsument auch dieses Jahr eine Stütze für die US-Wirtschaft bleiben. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich nach wie vor stark, und das Konsumentenvertrauen ist weiterhin hoch. Das spiegelt sich beispielsweise im Wohnungsbau, der unter anderem von den letztjährigen Zinssenkungen der US-Notenbank profitiert. Die rückläufigen Hypothekenzinsen werden dem Immobilienmarkt dieses Jahr wohl einen weiteren Schub verleihen.
Allerdings sind vom Privatkonsum keine Wunder zu erwarten. Das Wachstum bei den Arbeitsplätzen und den Löhnen wird sich 2020 voraussichtlich verlangsamen. Zudem werden sich die Unternehmensinvestitionen angesichts des nach wie vor schwachen globalen Marktumfelds und der anhaltenden Handelsspannungen bis auf Weiteres nur verhalten entwickeln. Letztlich sind auch viele US-Zölle auf chinesische Waren noch in Kraft.
Unsicherheitsfaktor Corona
Die US-Notenbank erwartet für 2020 ein BIP-Wachstum von 2 Prozent und für nächstes Jahr einen Zuwachs von 1,9 Prozent. Die Migros Bank ist mit ihrer BIP-Prognose etwas zurückhaltender. Zwar wächst die US-Wirtschaft nach wie vor vergleichsweise solid und eine Rezession ist weiterhin nicht in Sichtweite. Aber wir sehen für das laufende Jahr ein Wachstumstempo von nur 1,9 Prozent und rechnen mit zwei bis drei weiteren Leitzinssenkungen.
Die Indizien verdichten sich, dass sich die US-Konjunktur weiter abkühlt. Zudem haben die Abwärtsrisiken in einer ohnehin schon schwächelnden und durch den Handelsstreit belasteten Weltwirtschaft zugenommen. Zwar ist gegenwärtig nicht abschätzbar, in welchem Ausmass das Corona-Virus den Welthandel und damit auch das US-Wirtschaftswachstum belasten wird. Aber der jüngst starke Renditerückgang an den internationalen Obligationenmärkten verdeutlicht die Sorge der Marktteilnehmer, dass sich die Epidemie weiterverbreiten könnte und nicht nur ein Risiko für Menschen, sondern auch für das globale Wachstum darstellt. Verschärft sich die Corona-Krise, wird das früher oder später auch negativ auf das US-Konsumentenvertrauen und die Unternehmensinvestitionen durchschlagen.