Palladium im Höhenrausch

Das silberweisse Edelmetall Palladium hat sich seit 2016 massiv verteuert. Hinter der Kursrally stehen die robuste Nachfrage aus dem Automobilsektor und eine Angebotslücke. Nach dem spektakulären Anstieg erscheint uns eine Korrektur aber überfällig zu sein.

Alle Edelmetalle haben sich in jüngster Zeit verteuert, aber keines so sehr wie Palladium. Das silberweisse Edelmetall eilt von einem Rekord zum nächsten: Seit 2019 hat sich der Preis für die Feinunze Palladium auf rund 2300 US-Dollar fast verdoppelt, gegenüber 2016 hat er sich mehr als vervierfacht. Zeitweise notierte das Edelmetall im Januar gar über 2500 US-Dollar pro Unze. Damit kostete die Unze Palladium mehr als die anderen wichtigen Edelmetalle – Gold, Silber und Platin – jemals zuvor.

Palladium hat sich massiv verteuert (Feinunze in US-Dollar)

Seit Jahresbeginn hat Palladium weitere 15 Prozent zugelegt. Die inzwischen fast senkrechte Aufwärtsbewegung weckt zunehmend Erinnerung an eine Spekulationsblase. Getrieben wird der Preis allerdings nicht nur spekulativ, sondern vor allem durch die weltweit wachsende Nachfrage einerseits und das stagnierende Angebot andererseits. Seit gut neun Jahren besteht für Palladium eine Angebotslücke, das heisst, die Nachfrage übersteigt jeweils das Angebot – nicht zuletzt aufgrund zwischenzeitlicher Produktionsausfälle. Auch für das laufende Jahr sagen Minenexperten ein Defizit vorher. Nachgefragt wird Palladium vor allem in der Autoindustrie, wo es hauptsächlich bei Katalysatoren in Benzinfahrzeugen genutzt wird.

Ähnlich wie das Schwestermetall Platin

Palladium ist eines der sechs Metalle, die zur Platingruppe gezählt werden. Dazu gehören auch Ruthenium, Rhodium, Osmium, Iridium und Platin selbst. Wie Platin wird Palladium in erster Linie als Industriemetall verwendet. Beide Metalle sind seltener als Gold und stellen entsprechend kleinere Märkte dar. Die Beschaffenheit von Palladium ist ähnlich wie die des Schwestermetalls Platin, dadurch begründet sich auch die rege und robuste Nachfrage aus der Autoindustrie. Denn Palladium hilft bei benzingetriebenen Autos, umweltbelastende Schadstoffe in weniger schädliches Kohlendioxid und Wasserdampf umzuwandeln.

Palladium wird auch von der Elektronikindustrie, der Zahnmedizin sowie der Chemie- und Schmuckbranche genutzt. Rund 75 Prozent der Nachfrage entfallen indes auf die Automobilbranche. Abgebaut wird das Edelmetall vorwiegend in Russland und Südafrika. Die wichtigsten Palladiumförderer sind börsenkotierte Grosskonzerne wie Nornickel (ehemals bekannt als Norilsk Nickel) und Anglo American. Palladium wird häufig bei der Förderung von Platin und Nickel als Nebenprodukt gewonnen.

Die Automobilbranche ist der grösste Palladium-Konsument

Dieselgate beflügelt Palladium

Lange Zeit war Palladium wesentlich günstiger als das Schwestermetall Platin. 2016 beispielsweise war Palladium noch halb so teuer wie Platin. Im Zuge des technologischen Fortschritts über die vergangenen zehn Jahre ersetzten Automobilbauer Platin aber zunehmend durch das preiswertere Palladium, weil es in Benzinmotoren genauso gut für ihre Bedürfnisse geeignet ist wie Platin. Aufgrund des ursprünglich tieferen Preises entwickelte sich Palladium zum Hauptmetall bei Auspuffanlangen von Benzinmotoren.

Dieselfahrzeuge dagegen enthalten in der Regel Katalysatoren auf Platinbasis, da Platin bei Diesel besser geeignet ist als Palladium. Der Marktanteil von Dieselfahrzeugen ist in den letzten Jahren jedoch zugunsten der Benzinfahrzeuge kontinuierlich gefallen. Vor allem der Skandal um manipulierte Diesel-Abgasemissionen, bekannt als Dieselgate, steht in engem Zusammenhang mit dem Rückgang des Kaufs von Diesel-Neufahrzeugen. Entsprechend hat dies die Nachfrage von Platin belastet. Im Umkehrschluss hat Palladium wegen der robusten Nachfrage nach Benzinautos stark an Bedeutung gewonnen – und sich entsprechend verteuert.

Strengere Abgasvorschriften in China und Europa haben die Nachfrage nach Palladium ebenfalls stimuliert. Den Analysten des US-Wertschriftenhauses Morgan Stanley zufolge werden Fahrzeuge in China, dem weltgrössten Automarkt, ab diesem Jahr beispielsweise rund 30 Prozent mehr Palladium, Platin und Rhodium enthalten müssen. Zudem haben sich die Autoverkäufe in Europa weiter erholt. Im Dezember stiegen die Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen in der EU um mehr als 21 Prozent. Gemäss des europäischen Automobilverbands ACEA war der kräftige Anstieg teilweise auf die niedrige Vergleichsbasis von Dezember 2018 zurückzuführen, als die Einführung von Emissionsgesetzen die Zulassung von Personenwagen belastete. Zudem kurbelte die Aussicht auf höhere Steuern, die 2020 in Kraft treten sollen, den Autoverkauf in einigen EU-Ländern wie den Niederlanden und Schweden stark an. Nicht zuletzt hat sich die Angebotssituation von Palladium verschlechtert: Im Jahresendviertel 2019 hat sich die Minenproduktion in Südafrika aufgrund von Stromausfällen zeitweise zurückgebildet.

Wann kommt die Korrektur?

Im Zuge der spektakulären Kursrally stellt sich die Frage, ob Autohersteller künftig wieder vermehrt auf Platin statt Palladium setzen werden. Branchenexperten zufolge gibt es bis jetzt kaum Anzeichen dafür. Um in Benzinmotoren wieder verstärkt Platin zu nutzen, bedürfe es zunächst weiterer technologischer Fortschritte, heisst es. Auch der Trend hin zu umweltfreundlicheren Elektroautos ist noch keine Belastung für Palladium. E-Autos enthalten zwar kein Palladium. Aber bis jetzt ist der Markt für Elektrofahrzeuge im Vergleich zur weltweiten Flotte der Benzinautos immer noch verhältnismässig klein – und es dürfte noch einige Jahre dauern, bis die Automobilkonzerne ihre Flotten elektrifiziert oder auf andere umweltfreundliche Technologien umgestellt haben. Handkehrum sind Hybrid-Fahrzeuge ein wachsender Absatzmarkt für Palladium.

Ähnliche Preisanstiege wie jetzt bei Palladium gab es in der Vergangenheit an den Edelmetallmärkten öfters, ob bei Gold, Silber, Platin, Rhodium oder Palladium selbst. Geendet haben solch immer schneller zunehmende Kursgewinne stets in einer heftigen Abwärtsbewegung – getreu der alten Börsenweisheit «What goes up, must come down». Eine Korrektur erscheint uns nach dem kräftigen Preisanstieg überfällig zu sein, weshalb wir gegenwärtig von Palladium-Käufen abraten. Obgleich Palladium auch künftig auf einem im historischen Langzeitvergleich erhöhten Preisniveau gehandelt werden dürfte, sehen wir für das in den letzten Jahren vielfach verschmähte Schwestermetall Platin chancenreiche Perspektiven.

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