«Libra» ist das Schweizer Finanzwort 2019

Eine Jury aus renommierten Finanzexperten hat das Schweizer Finanzwort 2019 gekürt. Es heisst «Libra». Die Wahl aus mehr als 250 Einsendungen erfolgte unter Federführung des Schweizer Finanzportals finews.ch und der Migros Bank.

Das Ziel ist klar: Die geplante Kryptowährung Libra soll eine elektronische Vollwährung werden, die weltweit einfach genutzt werden kann. Ob auf dem Smartphone oder auf dem PC – die Digitalwährung soll es weltweit ermöglichen, Geld zwischen Libra und anderen Währungen unkompliziert zu tauschen und grenzüberschreitende Transaktionen rasch und kostengünstig auszuführen. Auch für Einkäufe in Online-Shops und Läden soll sie zum Einsatz kommen.

Der Start von Libra ist für 2020 vorgesehen. Die Digitalwährung emittieren wird die in Genf ansässige Stiftung Libra Asscociation, hinter der vor allem der US-Technologie- und Medienkonzern Facebook steht. Ähnlich wie beim Bitcoin beruht diese elektronische Währung auf der Blockchain-Technologie. Aber im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen wird sie keine grossen Kursschwankungen aufweisen. Das Zahlungsmittel ist als sogenannter «Stable Coin» konzipiert, das heisst: Die Libra Association bindet den Libra-Kurs an einen Korb von verschiedenen Währungen. Dieser enthält voraussichtlich den Dollar, den Euro, das Pfund und den Singapur-Dollar. Und ebenfalls sehr wichtig: Libra wird vollumfänglich gedeckt sein. Für jede ausgegebene Libra-Einheit wird der Währungskorb entsprechend erhöht, so dass der innere Wert der Kryptowährung stets mit entsprechenden Devisen gesichert ist.

Die Schweiz ist der ideale Standort

«Anders als der Bitcoin hat Libra aufgrund der hinterlegten Vermögenswerte einen inneren Wert und wird daher stabiler sein als viele Währungen», erläutert Fintech-Unternehmer Adriano B. Lucatelli. Libra eigne sich darum auch kaum für Spekulationen, wie das bei Bitcoin & Co. der Fall sei, die hauptsächlich von Angebot und Nachfrage getrieben würden. «Das Konzept erinnert an die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds, Libra richtet sich aber direkt an die Menschen», erklärt Lucatelli. Libra könne insbesondere in Entwicklungsländern dazu beitragen, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. «Um Wachstum zu generieren, braucht es einen Zugang zu Finanzdienstleistungen.»

«Libra ist nicht nur eine Antwort auf die lange Suche nach einer globalen Digitalwährung, sondern auch eine auf die schleichende Geldentwertung traditioneller Währungen», fügt der Schriftsteller Michael Theurillat an. «Von einer stabilen Währung profitieren vor allem die Bürger und Sparer. So kann Libra auch der Demokratisierung helfen.» Vor diesem Hintergrund könne man Libra als «das Gold der digitalen Welt» umschreiben.

«Libra hat alle Charakteristiken einer Fiat-Währung, wobei Facebook als institutionalisierte Trusted Third Party (TTP) agiert. Hier liegt ein Hauptunterschied zu bisherigen Kryptowährungen, wo keine solche existiert. Genau dies könnte über Erfolg oder Misserfolg entscheiden – also ob Facebook als institutionalisierte TTP akzeptiert wird», sagt Sita Mazumder, Professorin für Wirtschaft und Informatik an der Hochschule Luzern (HSLU).

«Dass die Libra Association ihren Sitz in der Schweiz hat, bürgt für Unabhängigkeit und Stabilität», hält finews.ch-Gründer Claude Baumann fest. «Ausserdem hat die Schweiz nicht nur eine lange Tradition im Finanzdienstleistungsbereich. Sie verfügt ebenso über viel Know-how im Technologiebereich.» Gekoppelt mit ihren stabilen Institutionen sei die Schweiz daher der ideale Standort für die Libra-Organisation. Dies verleihe der Kryptowährung zusätzliche Glaubwürdigkeit.

Wann und ob sich Libra breitflächig durchsetzt, weiss zwar niemand. Aber die Kryptowährung hat das Potenzial, die Finanzwelt umzukrempeln und sich zu einer neuen globalen Währung aufzuschwingen. «Die Anzahl potenzieller Nutzer ist enorm», führt Thomas Pentsy von der Migros Bank aus. Allein bei Facebook sind mehr als zwei Milliarden Menschen registriert. Nicht zuletzt soll Libra auch «die rund 1,7 Milliarden Erwachsenen in Entwicklungsländern erreichen, die kein Bankkonto oder keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben, aber oftmals ein Smartphone besitzen und soziale Dienste wie Facebook nutzen.»

Ein Schritt in die richtige Richtung

«Libra ist ganz klar eine Herausforderung für das bestehende Geldsystem», erklärt Baumann. Daher erstaunt es auch nicht, dass dem Projekt gegenwärtig wenig Liebe entgegenschlägt. So zeigen sich Politiker, Regulierungsbehörden, Notenbanken und Finanzinstitute besorgt über die Pläne des Libra-Konsortiums. Sie befürchten unter anderem, dass die Kryptowährung zu Verwerfungen auf den Devisenmärkten führen könnte. Speziell mit Blick auf Facebook gibt es nach diversen Datenskandalen in der Vergangenheit auch reichlich Datenschutzbedenken.

Infolge des politischen Drucks, vor allem in den Vereinigten Staaten, sind inzwischen wichtige US-Finanzdienstleister wie Visa, Mastercard oder PayPal aus dem Libra-Projekt wieder ausgestiegen. Diese weltweit renommierten Finanzpartner hatten dem Projekt ursprünglich viel Glaubwürdigkeit verliehen. Allerdings haben sie die Türe offengelassen, um allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt bei Libra wieder mitzuwirken. «Ob Libra sich letztlich durchsetzt oder eine andere Digitalwährung, ist eigentlich zweitrangig», kommentiert Theurillat. «Wichtig ist, dass die Entwicklung ein Schritt in die richtige Richtung ist.»

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2 Kommentare zu «Libra» ist das Schweizer Finanzwort 2019

  1. Mit meinen 91+ Jahren bin ich absolut konservativ und erachte alle Kryptowährungen als
    spekulative Anlagen. Mein Vertrauen gilt unserem Schweizerfranken und für Transaktionen genügen mir die vorhandenen Wege.

    1. sehe ich genauso; wie viel mehr kompliziert und diversiviziert wollen die uns noch glauben machen, dass es notwendig ist. Und mal Hand auf’s Herz: je mehr «online» und «virtuell» abgeht, desto mehr Betrugs Möglichkeiten werden die Schlaumeier ausfindig machen. online banking reicht mir 100% und bin weit weg von 91 Jahren.

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