Erneuerbare Energien verzeichnen Wachstumsdämpfer

Im Zuge der Corona-Krise erleiden auch die Solar- und Windenergie Rückschläge. Die Investitionen in erneuerbare Energien werden sich aber voraussichtlich schon bald erholen.

Der durch die Covid-19-Pandemie verursachte Wirtschaftsschock hat weitreichende Auswirkungen auf Investitionen im Energiesektor. Aufgrund der geringeren Gesamtnachfrage und tieferen Einnahmen – sowie gestörten Lieferketten infolge des eingeschränkten Personen- und Warenverkehrs – wird am Energiemarkt weniger investiert. Neuesten Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge werden die Investitionen in die Energiegewinnung dieses Jahr um fast 400 Milliarden US-Dollar tiefer ausfallen als im Vorjahr.

Weltweite Energieinvestitionen (in Mrd. US-Dollar)

Je nachdem, ob Unternehmen in fossile Brennstoffe oder in erneuerbare Energien investieren, sind sie von den Folgen der Corona-Pandemie unterschiedlich stark betroffen. Vor allem Ölgesellschaften haben im Zuge der Krise und den zwischenzeitlichen Verwerfungen an den Ölmärkten ihre Investitionspläne erheblich zurückgestutzt. Aber auch die Branche der erneuerbaren Energien erleidet derzeit Rückschläge. Erstmals seit zwei Jahrzehnten wird dieses Jahr das Wachstum der Kapazitäten einen Rückgang verzeichnen. Obschon sich der Solar- und Windenergiesektor als sehr widerstandsfähig gegenüber der Pandemie gezeigt hat, werden sich viele Projekte verzögern. Nach Schätzungen der IEA kommen im laufenden Jahr 13 Prozent weniger neue Solar- und Windkraftkapazitäten hinzu als 2019.

Öl- und Gassektor am stärksten betroffen

Wendepunkt

Trotz dieses Rückschlags steht die Welt am Anfang eines grossen Übergangs im Energiebereich: von einer von fossilen Brennstoffen dominierten Weltwirtschaft zu einer mit steigendem Anteil von erneuerbaren Energiequellen.  Um ihre Energie- und Klimaziele zu erreichen, muss die Welt den Einsatz erneuerbarer Energien deutlich beschleunigen. Das spiegelt sich beispielsweise darin, dass dieser Markt wohl schon bald wieder Fahrt aufnehmen wird. Bereits nächstes Jahr wird sich gemäss IEA-Prognosen das Wachstum der Produktionskapazität für erneuerbare Energien auf das Niveau von 2019 erholen, nicht zuletzt aufgrund von zwei grossen Wasserkraftprojekten, die 2021 ans Netz gehen sollen.

Kapazitätserweiterungen bei erneuerbarer Elektrizität (in Gigawatt)

Unter dem Strich bedeutet das allerdings, dass die Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien langsamer wachsen werden als bisher erwartet. Denn trotz des Aufschwungs liegt das kombinierte Wachstum in den Jahren 2020 und 2021 fast 10 Prozent niedriger im Vergleich zur IEA-Prognose von Oktober 2019. Doch frühere Prognosen konnten die Corona-Pandemie und das Ausmass der wirtschaftlichen Schäden nicht vorhersehen – und waren womöglich auch etwas zu optimistisch.

Übergänge in der Energiewirtschaft dauern in der Regel Jahrzehnte und sind, wie die Vergangenheit zeigt, schwer zu prognostizieren. «Peak Oil» etwa wurde schon in den Siebzigerjahren prognostiziert. Unter diesem Begriff versteht man den Zeitpunkt in der Weltgeschichte, an dem das globale Ölfördermaximum überschritten ist und danach die Produktionsrate kontinuierlich und unumkehrbar sinkt. Rückblickend haben sich die Prognosen zu «Peak Oil» stets als zu düster erwiesen, und Erdöl dürfte auf absehbare Zeit auch das Schmiermittel des Weltwirtschaftsmotors bleiben. Doch die erneuerbaren Energiequellen legen stetig zu.

Auf Erholungskurs

Auf die Solar- und Windenergie entfallen gemäss IEA rund 86 Prozent des weltweiten Zubaus erneuerbarer Kapazitäten im laufenden Jahr. 2020 wird eine zusätzliche Kapazität von 167 Gigawatt (GW) an erneuerbarer Energie einsatzbereit. Die Solarenergie steuert dabei mehr als die Hälfte zum Ausbau bei, aber die Erweiterungen bilden sich von 110 GW (2019) auf über 90 GW im Jahr 2020 zurück. Solar-Grossprojekte werden den Prognosen zufolge nächstes Jahr einen Aufschwung erleben. Die Gesamtinstallationen dagegen werden das Niveau von 2019 wahrscheinlich nicht überschreiten. Zurückzuführen ist dies auf eine deutlich langsamere Erholung der dezentralen Photovoltaik, da Haushalte und kleine Unternehmen ihre Investitionspläne revidieren.

Aufgrund der Covid-19-Krise verlangsamt sich auch das Tempo der Inbetriebnahme der Onshore-Windanlagen. Aber 2021 dürfte dies grösstenteils kompensiert werden, da die Mehrzahl der in der Pipeline befindlichen Projekte bereits finanziert und im Bau ist. Ungewissheit besteht jedoch nach wie vor bei einigen Projekten, die geplant hatten, ihre Finanzierung in diesem Jahr zu sichern und 2021 in Betrieb zu nehmen. Der Kapazitätsausbau in der Offshore-Windenergie ist von der Corona-Pandemie weniger stark betroffen, da Offshore-Projekte längere Bauzeiten haben als Onshore-Projekte.

Dies gilt auch für andere erneuerbare Stromtechnologien mit langen Vorlaufzeiten wie Wasserkraftwerke oder Geothermie. Der Ausbau der Wasserkraftkapazität wird voraussichtlich dieses wie nächstes Jahr zunehmen, unterstützt durch die Inbetriebnahme von zwei Mega-Wasserkraftprojekten in China.

Sechsmal grösser als bei der Finanzkrise

Die im Zuge der Corona-Krise deutlich geringere Energienachfrage hat indes nicht nur Schattenseiten. Nach Prognosen der IEA werden global die energiebedingten CO2-Emissionen dieses Jahr um 8 Prozent oder fast 2,6 Gigatonnen (Gt) fallen – und damit auf den tiefsten Stand seit rund zehn Jahren. Es wäre der bisher grösste je verzeichnete Rückgang innert einem Jahr, sechsmal grösser beispielsweise als die Minderung von 0,4 Gt im Jahr 2009, verursacht durch die globale Finanzkrise. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Schadstoffemissionen künftig zwangsläufig tiefer ausfallen werden als bislang. Nach früheren Krisen war der Wiederanstieg der Emissionen jeweils grösser als der krisenbedingte Rückgang. Ob dies abermals der Fall sein wird, hängt weitgehend davon ab, wie sich die Energieinvestitionen künftig entwickeln und in welche Bereiche die Gelder fliessen.

Kräftiger Rückgang der energiebedingten CO2-Emissionen

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