Ein schwieriges Jahr für Dividenden-Anleger

Dividendenauszahlungen im Umfeld der Corona-Krise sind ein kontroverses Thema. Dennoch sind im ersten Quartal die weltweiten Dividendenausschüttungen auf einen Rekordwert gestiegen. Im weiteren Jahresverlauf werden sie aber tiefer ausfallen als im Vorjahr.

Unternehmen, die als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie Arbeitnehmer entlassen oder in Kurzarbeit beschäftigen (und somit staatliche Unterstützung beziehen), aber immer noch Dividenden zahlen oder Aktien zurückkaufen, stehen zunehmend in der Kritik, sei es von Gewerkschaften, Gesetzgebern, Corporate-Governance-Experten oder in der breiten Öffentlichkeit. Durch Kürzung oder Streichung der Dividende können Unternehmen ihre Liquidität schonen und die Bilanzen stärken. Insbesondere für hoch verschuldete Unternehmen, die einen so unerwartet starken Wirtschaftseinbruch wie jetzt nicht verkraften können, sind solche Massnahmen eigentlich unumgänglich.

Etliche Unternehmen argumentieren dagegen, dass Dividendenausschüttungen dazu beitragen, das Vertrauen in das Unternehmen zu erhalten, zumal Aktionäre dieses Jahr keinen grossen Grund zum Jubeln hätten. In der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Grossen Depression würden Dividendenauszahlungen auch helfen, dass Anleger angesichts des Tief- respektive Negativzinsumfelds noch Einkommen generieren können. Davon profitieren beispielsweise auch Pensionskassen, die oft bedeutende Aktionäre sind.

Unterschiedliche Reaktionen

Letztlich stehen etliche Unternehmen in einem Dilemma. Die Herausforderung besteht darin, das Gleichgewicht zwischen der Aufrechterhaltung der Aktionärsinteressen, dem Betrieb und der Investition in künftiges Wachstum zu finden. Dieser Zielkonflikt wird die Öffentlichkeit und die Politik wohl noch eine Weile beschäftigten. Ganz allgemein stehen jedoch Unternehmen in Europa, die staatliche Hilfsgelder bezogen oder Mittel wie Kurzarbeit eingesetzt haben, derzeit stärker unter politischem Druck als in den USA.

So gab es in den Vereinigten Staaten bislang keine regulatorischen Auflagen betreffend Dividendenpolitik während der Corona-Pandemie. Die Europäische Zentralbank hingegen hat beispielsweise die Banken aufgefordert, für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 mindestens bis zum 1. Oktober 2020 keine Dividenden auszuschütten. Die Banken sollten auch keine Aktienrückkäufe zur Vergütung der Aktionäre vornehmen. Damit soll die Fähigkeit der Banken zur Verlustabsorption gestärkt und die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen während der Coronavirus-Pandemie unterstützt werden.

Auch die Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma hat bei den Banken Druck zur Mässigung der Dividendenausschüttung ausgeübt. Zudem sprach sich im Nationalrat eine Mehrheit dafür aus, dass Unternehmen, die beim Bund Kurzarbeitsentschädigungen beziehen, im laufenden und im kommenden Jahr keine Dividende ausschütten sollen, unter anderem weil Staatshilfe nicht den Aktionären zugutekommen soll. Bereits ausgeschüttete Dividenden sollten rückwirkend zurückbezahlt werden. Der Ständerat lehnte dieses Verbot jedoch ab. Die Vorlage wird somit nicht umgesetzt.

Abwärts gerichtet

Wie haben sich die weltweiten Dividendenauszahlungen bislang aber entwickelt? Viele Unternehmen sahen sich gezwungen, ihre Dividenden zu kürzen oder gar zu streichen. Trotz der Covid-19-Pandemie sind jedoch die weltweiten Dividendenausschüttungen im ersten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr um 3,6 Prozent auf rekordhohe 275,4 Mrd. US-Dollar geklettert. Gemäss dem in London domizilierten Vermögensverwalter Janus Henderson verzeichneten die Dividendenauszahlungen in den USA und Kanada gar einen Allzeit-Quartalsrekord punkto Ausschüttungen im ersten Quartal eines Kalenderjahres.

Auf Rekordhoch

Im weiteren Jahresverlauf dürften die Ausschüttungen hingegen weniger hoch als im Vorjahr ausfallen. Basierend auf angekündigten oder erwarteten Dividendenkürzungen geht die Investmentgruppe davon aus, dass die globalen Dividendenauszahlungen dieses Jahr um mindestens 15 Prozent auf 1,21 Billionen US-Dollar sinken werden. In einem Worst-Case-Szenario muss gar mit einem Rückgang um 35 Prozent auf 933 Milliarden US-Dollar gerechnet werden. Die Corona-Krise dürfte auch die Gewinnausschüttungen 2021 weiter belasten – selbst unter der Annahme, dass sich die Weltwirtschaft erholt und dass Unternehmen teilweise wieder Dividendenzahlungen aufnehmen oder die Ausschüttungen erhöhen.

Saisonale Gründe

Dass die Corona-Pandemie die globale Dividendenauszahlung bislang nicht stärker beeinträchtigt hat, ist vor allem der Saisonalität der Ausschüttungen zuzuschreiben. Ausserhalb von Nordamerika wird im ersten Jahresviertel weltweit jeweils die niedrigste Dividendensumme ausgezahlt. Europäische Unternehmen beispielsweise schütten ihre Dividenden mehrheitlich im zweiten Quartal aus. Zudem zahlen die Unternehmen in den USA und in Kanada üblicherweise eine Quartalsdividende, während in den anderen Weltregionen Dividenden in der Regel halbjährlich oder einmal pro Jahr ausgeschüttet werden. Gemessen an den weltweit 1200 grössten Börsenunternehmen entfallen daher auf Nordamerika rund drei Fünftel der weltweiten Gesamtausschüttungen im ersten Quartal. Auf Jahressicht steuert diese Anlageregion aber nur etwa zwei Fünftel zu den Gesamtausschüttungen bei.

Nordamerika im ersten Quartal der treibende Faktor

US-Dividendentitel scheinen zudem widerstandsfähiger zu sein als ihre europäischen Pendants. So ist beispielsweise der Branchenmix am US-Aktienmarkt wegen des höheren Anteils an Technologieunternehmen günstiger als in Europa. Auch mindern vierteljährliche Dividenden das Risiko von Dividendenstornierungen teilweise, weil Quartalszahlungen die Flexibilität auf Unternehmensseite erhöhen. Nicht zuletzt sind im Vergleich zu Europa die Ausschüttungsquoten oft geringer, weil in den USA Aktienrückkäufe sehr beliebt sind. Allerdings werden die US-Aktienrückkäufe dieses Jahr im Zuge der Wirtschaftskrise spärlicher ausfallen als in den letzten Jahren.

Welche Branchen stehen unter Druck?

Aus einer Branchensicht stehen vor allem die Dividendenausschüttungen im Finanzsektor, in Bereichen der Industrie wie etwa Luftfahrt, Auto, Transport und zyklischer Konsum, im Baugewerbe sowie im Tourismus-, Gastro-, Freizeit- und Luxussegment unter Druck. Mit Risiken behaftet sind auch die Ausschüttungen im Öl- und Bergbausektor, wobei da die Dividenden teilweise schon kräftig gekürzt oder gestrichen worden sind. Sicherer erscheinen derzeit Dividenden aus dem Technologiebereich, aus defensiven Sektoren wie Gesundheit, Nahrungsmittel und den meisten Verbrauchsgütern. Auch der Versorger- und Telekombereich sollte sich im Allgemeinen gut halten.

Das bislang prominenteste Beispiel für eine einschneidende Dividendenkürzung im Zuge der Corona-Krise ist der britisch-niederländischen Ölriese Royal Dutch Shell. Er hat vor kurzem erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg seine Quartalsdividende zurückgestutzt, und zwar um zwei Drittel. Dieser Schnitt hat viele Anteilseigner hart getroffen, zumal Royal Dutch Shell von 2016 bis 2019 jeweils die weltweit grösste Dividendensumme ausgezahlt hat. Unter den letztjährigen Top-Ten rangierten nachfolgend die US-Unternehmen AT&T, Exxon Mobil, Microsoft und Apple, gefolgt von den beiden Bergbaukonzernen BHP und Rio Tinto sowie den Finanzinstituten China Construction Bank, JP Morgan Chase und HSBC Holdings. Generell gehörten der Finanz- und Ölsektor in den letzten Jahren zu den besten Dividendenzahlern.

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1 Kommentar zu Ein schwieriges Jahr für Dividenden-Anleger

  1. Die Dividenden dürfen nicht ausbezahlt werden, da diverse Firmen auf Kosten der allgemeinen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus der «Patsche» geholfen wird.
    Ich hätte die Kredite mit dem Dividendenverbot verknüpft !
    Viele Firmen sind schon vor der Pandemie auf den Felgen gelaufen, dass heisst,
    von Reserven keine Spur (z.B. Lufthansa mit 2/3 Schulden von der Bilanzsumme)
    und somit auch keine Portokasse ! Kaufmännische Grundsätze sind zwar bekannt, aber werden zugunsten der Gewinnausschüttung ignoriert !

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