Am 3. November wählen die Vereinigten Staaten ihren 46. Präsidenten. Was müssen Anleger beachten?
Im Rennen um das US-Präsidentschaftsamt liegt der Demokrat Joe Biden in den Wahlumfragen derzeit klar vor dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump «Sollte sich ein Wahlsieg Bidens abzeichnen, könnte das an den Börsen aufgrund seiner Steuerpläne zunächst verhalten aufgenommen werden», sagt Markus Wattinger, Leiter des Investment Office der Migros Bank. An der langfristigen Attraktivität des US-Aktienmarkts ändere ein allfälliger Wahltriumph der Demokraten aber nichts. Die makroökonomischen Fundamentaldaten seien entscheidender für die künftige Börsenentwicklung als der Wahlausgang.
Herr Wattinger, der US-Wahlkampf geht in die entscheidende Phase. Welchen Einfluss haben die Präsidentschaftswahlen auf den US-Aktienmarkt?
Die heutige Situation ist aufgrund der Corona-Pandemie nur bedingt vergleichbar mit früheren US-Wahlen. Die Folgen der Covid-19-Krise, weitere Stimulierungsmassnahmen und die Entwicklung am US-Arbeitsmarkt dürften die US-Börse mittelfristig stärker beeinflussen als die Präsidentschaftswahl. Bis zu den Wahlen im November kann noch viel geschehen.
Vor den Wahlen werden regelmässig Portfolios veröffentlicht, die verraten, welche Aktien bei welchem Kandidaten profitieren werden. Gibt es wirklich «Trump- bzw. Biden-Aktien»?
Entsprechende Aktienportfolios werden immer wieder thematisiert. In Anbetracht der Corona-Krise sind solche Portfolios jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Es besteht die Gefahr, dass das langfristige volkswirtschaftliche Szenario vernachlässigt wird. Auf lange Sicht hat die US-Konjunktur einen grösseren Einfluss auf die Marktentwicklung als die Präsidentschaftswahlen. Dennoch gibt es Sektoren, in denen sich abhängig vom Wahlausgang die Rahmenbedingungen ändern könnten.
Welche Branchen sprechen Sie an?
Sollte Joe Biden bei einer allfälligen Wahl die Steuerreform von Donald Trump teilweise rückgängig machen, leiden Sektoren wie der Basiskonsum oder die Kommunikationsdienstleistungen besonders. Unternehmen wie Alphabet und Facebook beispielsweise haben stark von Steuersenkungen profitiert. Weiter fordern die Demokraten eine stärkere Regulierung des IT-Sektors, was diesen unter Druck setzen würde. Hier zeigt sich das aktuelle Dilemma: Aktien aus den erwähnten Sektoren bzw. deren Leader gehören einerseits zu den defensiven Stabilisatoren im Konjunktureinbruch und andererseits zu den Hauptgewinnern seit dem Ausbruch der Corona-Krise. Da die betroffenen Branchen im S&P 500 Index stark vertreten sind, dürften sowohl Änderungen der Steuerreform als auch eine deutliche Verschärfung der Regulierung im Technologiebereich den US-Aktienmarkt zwischenzeitlich spürbar belasten.
Welche Sektoren stehen noch im Fokus?
Das Thema Energie hat für beide Parteien hohe Priorität. Sollte Biden seine «grüne Agenda» umsetzen, ist eine Outperformance von Unternehmen zu erwarten, die in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien aktiv sind. Die Titel von NextEra Energy könnten zu den Profiteuren zählen. Bei einem Wahlsieg von Trump wären eher die klassischen Energiewerte wie das Fracking oder die traditionellen Ölunternehmen im Vorteil. Allerdings sind Energieaktien im S&P 500 Index relativ bescheiden gewichtet und üben daher nur wenig Einfluss auf den Gesamtmarkt aus. Unabhängig vom Wahlausgang erwartet die Migros Bank, dass sich Anlagen in nachhaltige Energieunternehmen langfristig besser entwickeln werden als Investitionen in traditionelle Energieunternehmen.
Pharmatitel könnten ebenfalls leiden, wenn Biden gewinnt.
Eine verschärfte Regulierung der Medikamentenpreise könnte den Druck auf Pharma-Aktien erhöhen. Aber auch hier muss der Bogen zur Wirtschaftslage gespannt werden. Sollte der Erholungspfad der US-Wirtschaft flacher verlaufen als erwartet, hätten die defensiven Qualitäten der Pharmawerte eine stabilisierende Wirkung auf ein Aktienportfolio. Zudem handeln Pharmavaloren bereits mit einem vergleichsweise hohen Abschlag zum Gesamtmarkt – das Risiko einer stärkeren Regulierung scheint also bereits zu einemgewissen Teil eingepreist zu sein.
Wer würde zu den Profiteuren einer Wahl Bidens gehören?
Im Zuge der Vorstellung seines Programms «Buy America» hat Biden klargemacht, dass unter seiner Führung die Produktion wieder vermehrt in die Vereinigten Staaten zurückgeholt werden soll. Angesichts des Handelsdisputs mit China und der offensichtlichen Schwachstellen in den globalen Lieferketten ist dies durchaus sinnvoll. In der Folge würden aber die Arbeitskosten in den USA steigen. Von einer solchen Entwicklung könnten Unternehmen profitieren, die sich auf die Industrieautomatisierung spezialisiert haben. Dazu gehören beispielsweise Parker-Hannafin und Emerson Electric.
Wird die Migros Bank je nach Wahlausgang ihre Anlagestrategie ändern?
Das kann ich noch nicht sagen. Neben den Präsidentschaftswahlen sind insbesondere das Kopf-an-Kopf-Rennen um die Sitzverteilung im Senat und die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses wichtig. Hier entscheidet sich, ob und in welchem Umfang der Präsident seine Agenda umsetzen kann. Wir beobachten den Wahlkampf und die Entwicklung der Umfrageergebnisse genau. Sollte sich ein Wahlsieg Bidens abzeichnen, könnte das an den Börsen aufgrund seiner Steuerpläne zunächst verhalten aufgenommen werden. Das ändert aber langfristig nur wenig an der Attraktivität von US-Aktien und allfällige Kursrücksetzer dürften als Kaufgelegenheit betrachtet werden.
Welche Wahlkampfthemen sind aus Anlegersicht besonders relevant?
Die Steuerpolitik. Sie beeinflusst unmittelbar die Unternehmungsgewinne und somit die Aktienbewertung. Bezüglich der Handelspolitik dürfte sich für die Anleger nichts Substantielles ändern – egal, wer das Rennen macht. Hier herrscht über die Parteigrenzen hinaus weitgehend Konsens. Der Grundton dürfte angespannt bleiben, einzig der Tonfall dürfte unter Biden etwas moderater ausfallen. Die Demokraten würden wohl einen leicht zurückhaltenderen Kurs einschlagen, dafür aber Menschenrechtsverletzungen pointierter ansprechen.
Erwarten Sie im Vorfeld der Wahlen eine erhöhte Volatilität an der US-Börse?
Ja. Zurzeit scheint das am US-Aktienmarkt allerdings noch kein Thema zu sein. Doch Biden möchte die von Trump deutlich reduzierte Unternehmenssteuer wieder anheben. Fraglich ist allerdings, ob er diesen Plan angesichts des Konjunktureinbruchs tatsächlich kurzfristig umsetzen könnte. Grundsätzlich hätten höhere Steuern negative Folgen für Aktien: Die Unternehmensgewinne würden leiden. Bidens Steuerreform könnte die Gewinne der S&P-500-Unternehmen um rund 10% reduzieren. Mit erhöhter Volatilität im Vorfeld der Wahlen ist also, je nach Antizipation des Wahlausgangs, durchaus zu rechnen.
Disclaimer:
Dieser Artikel stellt weder eine Offerte noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageinstrumenten oder Transaktionen dar, sondern hat ausschliesslich beschreibenden, informativen Charakter. Die Migros Bank übernimmt keine Garantie für die Richtigkeit bzw. die Vollständigkeit der vorliegenden Informationen und lehnt jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, welche durch den Gebrauch dieser Information entstehen könnten.
Händler und damit auch Bänker sind rsp müssen von berufs wegen Opportunisten sein. Wenn das auch nicht immer symphatisch erscheint. Aber ihre primäre Aufgabe ist Handel, handeln in jedem Umfeld. Wunschdenken kann da gefährlich sein. Ich weiss nicht, welches die Quellen im Artikel bzgl Wahlbarometer sind und was Wunschdenken.
Neue Auswertungen in den USA (zB von der sehr trumpkritischen aber repräsentativen CNN) ergeben Resultate im Fehlerstreubereich. Aktuell hat Biden hat einen Vorsprung von 4%, 3.8% gilt als Fehlerquote. Bis zum Wahltag wird noch einiges geschehen, das Rennen ist offen. Direkte Kontakte in die USA zeigen eine viel höhere Zustimmung für Trump, und spannend das durch alle Bevölkerungsschichten als wir Europaer uns das sprichwörtlich täglich vorschreiben lassen. Bei der Ausrichtung meines Depots gehen ich von einer wahrscheinlicheren Wahl Trumps aus. Es lohnt sich zuzuhören. Was er vor der Wahl sagt setzt er auch um.