Verglichen mit dem europäischen Ausland haben die Schweizer Treibstoffpreise bislang nur wenig nachgegeben. Dies liegt massgeblich an der Art und Weise, wie die Mineralölpreise hierzulande zusammengesetzt sind.
Neulich an einer Tankstelle in der Ostschweiz: Der Tank meines Autos war mal wieder beinahe leer und entsprechend hatte mein fahrbarer Untersatz grossen Durst. Und mindestens im gleichen Tempo, wie mein Wagen gierig Liter um Liter des begehrten Diesels schluckte, kam ich (einmal mehr) aus dem Leerschlucken nicht mehr heraus. 2,22 Franken pro Liter zeigte die Anzeige an der Zapfsäule an. Bei einem 70-Liter-Tank…naja…Sie dürfen gerne selbst rechnen. Mit unverhohlenem Neid schielte ich auf den Benziner-BMW gegenüber. 1,96 für den Liter verriet mir das Preisschild über der Bleifrei-Pumpe. Bildete ich es mir nur ein, oder hatte der Fahrer des Benziners tatsächlich ein leicht schadenfreudiges Grinsen auf seinem Gesicht?
Schweizer Sprit-Preise reagieren träge
Wie dem auch sei – in einen wirklichen Freudetaumel verfallen weder Diesel- noch Benzinbezüger. Wenn schon denn wohl eher in ein ratloses Händeverwerfen. Denn die Preise verharren hartnäckig auf einem Niveau, das so hoch liegt wie zuletzt vor rund zehn Jahren. Und dies obschon der Rhein – auf dem die Schweiz den allergrössten Teil der Erdölprodukte importiert – mittlerweile wieder ausreichend Wasser führt und die Notierungen für Rohöl deutlich zurückgekommen sind. So kostet ein Fass Rohöl der für Europa massgeblichen Sorte Brent rund 26 Prozent weniger als noch Ende Mai. Die Preise an den Schweizer Tankstellen gaben im gleichen Zeitraum deutlich weniger nach: Der Durchschnittspreis für ein Liter Bleifrei lag im Oktober rund 9 Prozent tiefer als im Mai. Noch geringer fiel der Rückgang – Sie ahnen es – bei Diesel aus. Nicht einmal 5 Prozent tiefer präsentiert sich hier die Tankrechnung.
Mit Blick auf das europäische Ausland wirft dieser Befund doch Fragen auf. Selbst unter Ausklammerung der teils sehr üppigen Tank-Rabatte – ach, war der Italienurlaub doch eine auftankmässige Zeit der Glückseligkeit – spiegeln sich die gefallenen Rohölnotierungen immer noch deutlich in den Zapfsäulenpreisen. Der Grund für diese Unterschiede offenbart sich, bei einer genaueren Betrachtung der Zusammensetzung der Schweizer Treibstoffpreise.
Der fixe Kostenanteil ist hoch
Da rund drei Viertel der in der Schweiz benötigten Mineralölprodukte via Rheinfracht vom ARA-Raum (Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen) importiert werden, beginnt diese sogenannte Preisdekomposition beim Spotpreis in Rotterdam. Am 17. November beispielsweise betrug der Kassa-Preis 913 USD für eine Tonne Bleifrei 95. Mit der physikalischen Dichte und dem USD-CHF-Wechselkurs verrechnet, betrug somit der Literpreis in Rotterdam rund 64 Rappen. Zu diesem Preis kommen die Frachtkosten nach Basel hinzu, womit man bei etwas mehr als 68 Rappen angelangt ist. Zu diesem «Basel-Preis» addiert sich ein fixer Abgabeblock, worunter etwa die Mineralölsteuer fällt. Dazu gesellt sich die Mehrwertsteuer, womit wir bei einem Preis von rund 1,57 Franken pro Liter Bleifrei sind. Hinzu kommen die Kosten für Feinverteilung und Lagerung sowie für den Betrieb von Tankstellen (inkl. Gewinnmarge). Zieht man den Strich unter diese etwas vereinfachte Rechnung, landen wir schliesslich auf dem eingangs erwähnten Zapfsäulenpreis von 1,96 Franken pro Liter Bleifrei.
Damit klärt sich die Frage, warum in der Schweiz die Preisbewegungen am Rohölmarkt nicht eins zu eins abgebildet werden: Erstens unterliegt ein grosser Anteil – beim aktuellen Preisniveau immer noch rund ein Drittel – nicht den Marktschwankungen, sondern wird als fixer Kostenblock an den Staat abgeführt. Und zweitens hat der Wasserpegel auf dem Rhein einen spürbaren Einfluss auf den endgültigen Treibstoffpreis. Ist der Wasserstand niedrig, können die Schiffe weniger beladen werden, was die Transportkosten entsprechend in die Höhe treibt. So beliefen sich die Frachtkosten zwischen Rotterdam und Basel diesen Sommer auf rund 90 Franken pro Tonne (aktuell 45 Franken).
Das Finanzamt freuts
Eine dritte Erkenntnis betrifft zwar nicht ausschliesslich Schweizer Automobilisten, ist aber gerade im gegenwärtigen Inflationsumfeld trotzdem erwähnenswert: Wie bei allen Konsumsteuern zählt der Staat auch bei den auf Treibstoffen erhobenen Mehrwertsteuer zu den Profieuren eines stark gestiegenen Preisniveaus. Bedenkt man, dass selbst im Pandemiejahr 2021 rund 4,6 Millionen Tonnen Diesel und Benzin verbraucht wurden, macht es einen beträchtlichen Unterschied bei den Fiskaleinnahmen, ob 7,7 Prozent Mehrwertsteuer auf 50 Rappen mehr oder weniger pro Liter abgeführt werden.
Machen diese Ausführungen den nächsten Halt an der Tankstelle erträglicher? Definitiv nicht. Für Stimmungsaufhellung könnte sorgen, dass hinsichtlich Wechselkurs, Rohölpreisentwicklung und Rhein-Wasserstand doch berechtigte Hoffnungen auf weiteres Sinken der Treibstoffpreise angezeigt sind. Das zaubert beim Tankstopp zwar nicht gerade ein Lächeln aufs Gesicht. Aber zumindest sollte es die Mundwinkel nicht mehr ganz so stark nach unten ziehen.
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