Anlegen Globus

Der Trugschluss vom Wachstum

Obwohl die Emerging Markets boomen, bringen die Aktien aus dieser Region nur wenig Rendite. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Asien als grosse Enttäuschung
Bruttoinlandprodukt und Börsenperformance in Asien ohne Japan, inflationsbereinigt in Dollar.
Vom asiatischen Wirtschaftswunder haben die Aktionäre kaum profitiert. Die Grafik zeigt das Bruttoinlandprodukt und die Börsenperformance in Asien ohne Japan, inflationsbereinigt in Dollar.

Wenn ich mein Geld in Ländern mit starkem Wachstum investiere, profitiere ich von einer überdurchschnittlichen Rendite. Klingt einleuchtend. Auch viele Börsenprofis würden den Satz wohl unterschreiben. Doch er ist falsch.
Nehmen wir das Beispiel China: Seit 20 Jahren wächst das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) Jahr für Jahr um bis zu 10 Prozent. An der Börse dagegen erreichte die Jahresrendite in der gleichen Periode lediglich rund 3 Prozent – nicht einmal halb so viel wie die Schweizer Börse mit einem jährlichen Plus von 7,6 Prozent. Die nebenstehende Grafik zeigt das gleiche Ergebnis für die asiatischen Schwellenländer insgesamt.

Aber ist eine solch extreme Abweichung zwischen Wirtschaft und Börse überhaupt möglich? Wenn ein Land oder eine Region über viele Jahre boomt, so müsste man eigentlich annehmen, dass auch die Aktionäre besonders gut daran verdienen. Die Wissenschaft allerdings kommt zum gegenteiligen Schluss.

Verschiedene Studien, zum Teil mit Daten seit 1900, belegen, dass kein statistischer Zusammenhang zwischen dem BIP-Wachstum eines Landes und dessen Börsenentwicklung besteht.

So verblüffend das Resultat erscheinen mag, es lässt sich begründen. Für ein hohes Wachstum braucht es Investitionen. Deshalb besteht in schnell wachsenden Ländern ein grösserer Kapitalhunger. Geldquellen können Unternehmen auf zwei Arten anzapfen: Sie behalten die erarbeiteten Gewinne zurück und zahlen nur eine kleine Dividende an die Aktionäre. Oder sie führen eine Kapitalerhöhung durch. Dadurch muss der Konzerngewinn auf mehr Aktionäre verteilt werden, was den Ertrag pro Aktie ebenfalls schmälert.

Umgekehrt ist die Situation bei Aktien aus dem „alten Kontinent“: Trotz tiefem Wirtschaftswachstum erzielen sie ansehnliche Renditen. Viele schweizerische wie auch europäische Unternehmen sitzen auf dicken Kapitalpolstern. Und weil bei den Investitionen kein Nachholbedarf besteht, schütten sie den Grossteil des Gewinns an die Aktionäre aus. Zudem sind viele Schweizer Konzerne frühzeitig in die Emerging Markets expandiert und profitieren somit ebenfalls vom dortigen Boom, namentlich ABB, Givaudan, Holcim, Nestlé Richemont, SGS, Swatch oder Syngenta. Der Artikel „Sieh, das Gute liegt so nah! “ liefert weitere Informationen.
Dass Europa schon bald aus seiner chronischen Stagnation herausfindet, ist leider nicht zu erwarten. Ein Trost immerhin bleibt: Für den Aktionär lohnt es sich, den einheimischen Firmen die Treue zu halten.

Setzen Sie noch auf europäische Aktien? Diskutieren Sie mit!

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